G-8-Gipfel in Hokkaido: Acht ohne Macht
Wo die G-8-Staaten wollen, können sie nicht: China und Indien jedenfalls verweigern beim Klimaschutz die Gefolgschaft. Was heißt das für künftige Treffen der großen Industriestaaten?
Sie waren nicht groß, aber es gab sie: Aktionen und Camps gegen den
G-8-Gipfel in Toyako. Im rund 30 Kilometer vom Tagungsort entfernten Toyoura harrten 400 Globalisierungskritiker während der Gipfeltage aus, darunter rund 100 Aktivisten aus Europa und Nordamerika. Sie wollten täglich in kleine Gruppen demonstrieren, wurden aber stets von einer Überzahl von Polizisten zurückgeschickt, berichten Vertreter der Gruppe Gipfelsoli. "Für uns, die an europäische Maßstäbe gewöhnt sind, ist der Level der Repression schwer nachvollziehbar", sagte die englische Aktivistin Melissa Cohen. Demonstriert wurde stattdessen in Kioto, Tokio und Sapporo, wo parallel auch ein Alternativgipfel stattfand.
Erst im letzten Moment des dreitägigen G-8-Gipfels im japanischen Toyako kam es zu etwas, womit angesichts des perfekt inszenierten Treffens niemand mehr gerechnet hatte: zum Eklat. Die Staatschefs der großen Schwellenländer, die zu einem zweistündigen Gespräch dazugeladen wurden, verweigerten beim Klimaschutz die Gefolgschaft. Damit dürfte auch das Thema G-8-Erweiterung erledigt sein.
China und Indien teilten nach der Unterredung mit, dass sie dem von den G 8-Staaten mühsam untereinander ausgehandelten Ziel einer Emissionsminderung um 50 Prozent bis 2050 nicht folgen werden. Beide Staaten zeigten sich lediglich dazu bereit, zu einem späteren Zeitpunkt Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu ergreifen. "Wir sind immer noch ein sich entwickelndes Land", hieß es aus chinesischen Regierungskreisen. Das Klimaproblem sei vor allem von den Industrieländern geschaffen worden. Deswegen müsse es bei der CO2-Reduktion unterschiedliche Standards geben.
Zu den G-8-Staaten zählen Russland, Japan, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada und die USA. Die G 5 setzt sich aus den aufstrebenden Schwellenländern China, Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika zusammen. Gastgeber Japan hatte erstmals auch Indonesien, Südkorea und Australien eingeladen. Im Rahmen des "Heiligendamm-Prozesses" hatte Angela Merkel beim Gipfel vor einem Jahr die fünf Schwellenländer institutionell an den G-8-Gipfel angebunden. Zudem sollte zusätzlich ein gemeinsames Treffen stattfinden, auf dem die "Weichen" für ein Nachfolgeabkommen zum Kioto-Protokoll zum Klimaschutz gestellt werden sollen. Ob es bei diesem Zeitplan noch bleibt, konnte am Mittwoch nicht mehr geklärt werden.
Die G-8-Staaten hatten sich am Vortag zu dem Ziel bekannt, bis Ende 2009 auf UN-Ebene ein Abkommen auf den Weg zu bringen, das die Schadstoffminderung um mindestens die Hälfte bis 2050 vorsieht. Mit Mühen hatten sie sich zu der Formulierung durchgerungen, dass die Industrieländer den weitaus größten Anteil erbringen würden. Besonders US-Präsident George W. Bush hatte betont, dass ohne Beiträge der großen Schwellenländer das Problem nicht gelöst werden könne und die USA sich dann auch nicht beteiligen würden.
Dass die Verhandlungen zwischen G 8 und G 5 bereits nach der zweiten Zusammenkunft gescheitert sind, wirft die Frage auf, was der G-8-Gipfel mit Blick auf die globalen Krisen überhaupt noch leisten kann. Deutlich wie selten zuvor ist den mächtigen Industriestaaten klargeworden, dass sie Probleme wie Klimawandel oder Ölpreis ohne die großen Schwellenländer nicht lösen können. China und Indien treiben mit ihrem Bedarf die Rohstoffpreise ebenso in die Höhe wie den Ausstoß von Treibhausgasen. Und die Währungspolitik der chinesischen Zentralbank hat nicht minder starke Auswirkungen auf das Weltfinanzsystem als Entscheidungen der US-Notenbank.
Großbritannien und Frankreich haben sich daher auf dem Gipfel in Toyako dafür ausgesprochen, den Kreis der Gruppe Acht auf die fünf Schwellenländer auszuweiten. Und in der Tat: Würde man die Wirtschaftskraft als Hauptkriterium nehmen, wäre die derzeitige Zusammensetzung nicht mehr zeitgemäß.
Doch besonders Deutschland und Japan lehnen eine Ausweitung ab. Man müsse aufpassen, "dass die G-8-Gruppe sich nicht verwässert", sagte Merkel. Bestimmte Dinge müssten zunächst im kleinen Kreis besprochen werden. Die Einbindung der fünf Schwellenländer hatte sie zwar im vorigen Jahr in Heiligendamm angeregt - aber nur, um deren Vollmitgliedschaft zu verhindern.
Diese Haltung hat einen einfachen Grund: Anders als Großbritannien und Frankreich haben Deutschland und Japan keinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Die G 8 ist für sie die einzige regelmäßige Gelegenheit, den Mächtigen der Welt auf Augenhöhe zu begegnen. Für den Fall der Erweiterung befürchten sie einen Machtverlust.
Die aufstrebenden Schwellenländer sind indes gar nicht so erpicht darauf, in den Kreis der Mächtigen aufgenommen zu werden. "Als gleichberechtigte Teilnehmer müssten wir Versprechungen machen, die wir gar nicht halten wollen, sagte ein Regierungsvertreter unlängst im chinesischen Staatsfernsehen. "Wir hätten mehr zu verlieren als zu gewinnen." Auch Indiens Premierminister Manmohan Singh, der im Anschluss an das erste G 8+G 5-Treffen den "Ausflug nach Heiligendamm" noch als Zeitverschwendung bezeichnete, hat offenbar keine Probleme mehr damit, mit einem Platz am Katzentisch abserviert zu werden. Mit ihrer Absage an den G-8-Klimabeschluss demonstrieren beide Länder Einfluss, ohne Vollmitglied zu sein.
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