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■ Futtern zum Festpreis bei „All you can eat“Wenn Männer zu Hyänen werden

Wir trafen uns am Freitag Abend. Ich hatte seit Dienstag gehungert. Eins und Zwei seit Mittwoch. Nun wollten wir Spaß haben! Unsere Augen glänzten irr. Die Bedienung muß uns denn auch schon beim Eintreten als wilde Buffet-Bestien erkannt haben. Vermutlich ist sie den Anblick von vor Gier geifernder Gäste gewohnt. Sie lächelte nachsichtig: „,All you can eat‘, die Herren?“ Wir nickten heftig. Zwei stöhnte kehlig: „Essen! Essen!“ Im nachhinein ist mir dies alles furchtbar peinlich.

Die nette Bedienung reichte uns die Teller, zeigte uns unseren Tisch und führte uns an das wohlgefüllte Buffet, an dem wir uns nun für nur 14 Mark endlos schadlos halten durften. Nur die Getränke gingen extra. Wir mutierten zu nahrungschaufelnden Bestien und schubsten mit gierig gebleckten Zähnen ein kleines Großmütterchen zur Seite, „bevor“, so argwöhnten wir, „die Alte uns noch alles wegfrißt“! Man kennt doch diese gierigen Rentner! Zwei häufte sich einen Turm Barbecue-Spare-Rips auf den Teller und ertränkte ihn in gebratenem Reis. Eins und ich nahmen je acht „Chicken Wings“ und füllten die Hohlräume dazwischen mit Bami Goreng „scharf“. Zwei warf die Gabel weg und aß mit den Fingern. Schamgerüttelt schreibe ich dies nieder. „All you can eat“ macht Männer zu Hyänen.

Nachdem die nette Bedienung die alte Frau vom Boden aufgehoben hatte, trat sie an unseren Tisch und fragte nach Getränken. Zwei schmatzte: „Haben wir leider keine da!“ Eins lachte laut und ausgiebig über diesen, wie er meinte, sehr guten Witz und spuckte dabei der netten Bedienung aus Versehen seinen gebratenen Reis „Yang-Tseu-Art“ auf die Bluse. Die nette Bedienung lächelte nun nicht mehr ganz so nett. Statt dessen ging sie erstmal weg. Wahrscheinlich, um ihre Bluse zu säubern. Vermutlich sieht es der Geschäftsführer unseres „All you can eat“-Lokales nicht so gerne, wenn seine Angestellten chinesische Reisgerichte auf ihren Blusen haben. Sieht ja auch nicht schön aus, sowas.

Wir schämten uns ein bißchen und gelobten feierlich, vor dem nächsten Lachkrampf erst hinunterzuschlucken. Die nun etwas verkniffen dreinblickende Bedienung kam wieder an unseren Tisch: „Etwas zu trinken, die Herren?“ Nach einer längeren Diskussion (wie spült man so viel Essen am effektivsten runter?) bestellten wir für den Anfang erstmal für jeden zwei große Bier. Wir tranken sehr schnell. Ich gebe zu, wir kannten einfach kein Maß mehr. Wir stopften Tortellini „alla Panna“ in uns hinein, bis das junge Paar vom Nachbartisch den Anblick nicht mehr ertrug. Eins läutete als dann die erste Verdauungsschnapsrunde ein. Wir bestellen acht weitere Bier und reimten ein fröhliches „All you can eat“-Gedicht: „Wir lassen uns das Essen nicht verbieten / drum geh'n wir eaten, eaten, eaten / Wer viel ißt, bleibt immer fit / drum eß' ich gern ,all you can eat‘!“ Das letzte „eat“ muß dabei sehr kurz gesprochen werden. Wir übten das mehrmals. Dann liehen wir uns von der netten Bedienung einen Kugelschreiber und schrieben unser Gedicht auf die Tischdecke. Eins bestellte acht neue Bier und wir aßen jeder zwei Teller „Rigatoni Carbonara“. Dann versuchten wir ein paarmal unser Gedicht auf die Melodie von „Lustig ist das Zigeunerleben“ zu singen, aber da hatte uns der Geschäftsführer schon an die Luft gesetzt. Die nette Bedienung warf uns noch unsere Jacken hinterher.

Ich gebe zu, der Abend hat unsere düstere Herbststimmung etwas aufgehellt, aber eigentlich sollte man „All you can eat“-Restaurants boykottieren: Sie sind das Ende von Sitte und Anstand in Deutschland! Frank M. Ziegler

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