Fußball-WM in Südafrika eröffnet: Befreit aus der Vergessenheit

Die Choreografien der Eröffnungsfeier waren nicht zackig. Der Rhythmus war wichtiger. Doch Südafrika präsentierte sich auch mit militärischen Spektakel.

Bunter Eröffnung in Johannesburg. Bild: dpa

JOHANNESBURG taz | Eine merkwürdige Ratlosigkeit herrschte in Soccer City nachdem die erste Veranstaltung der WM beendet war. Südafrika und Mexiko hatten sich im Auftaktspieiel ihrer WM-Gruppe 1:1 getrennt. Das Stadion leerte sich schnell und die Spieler des Gastgeberlandes standen mit hängenden Köpfen am Rand des Spielfeldes. Sie waren traurig. Sie hätten gewinnen können. Es war vor allem der Pfostenschuss von Stürmer Katlego Mphela in der 90. Minute, der der großen Eröffnungsparty eine beinahe tragische Note gab. Ohne Schlussapplaus für die Heimmannschaft endete Spiel eins dieser Fußballweltmeisterschaft.

Den größten Beifall an diesem Abend hätte das Team aber auch nicht bekommen, wenn es gewonnen hätte. Über den hat sich auch der Präsident des Internationalen Fußballverbands Sepp Blatter nicht freuen dürfen. Der gößte Applaus galt einem Abwesenden bei der Auftaktzeremonie der Fußballweltmeisterschaft. Nelson Mandela, „unsere nationale Ikone“ wie Südafrkas Präsident Jacob Zuma ihn nannte, hat seine angekündigte Teilnahme abgesagt, weil seine Urenkelin am Tag zuvor auf dem Heimweg vom Eröffnungskonzert im Orlando Stadium von Soweto bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt ist.

Doch es waren so viele Herzen wie vielleicht noch nie in der Geschichte seiner Regentschaft über die Fifa, die dem Schweizer an diesem Nachmittag zuflogen. Er hat sich feiern lassen, als der Mann, der das „größte Spektakel der Welt“ nach Afrika gebracht hat. In der linken Hand hielt er das Mikro, den rechten reckte er schräg in die Höhe, so als wolle er damit die ganze Zuneigung einfangen, die ihm entgegengebracht wurde. Seine Botschaft: Es ist vollbracht. Die Stadionregie schickte noch Bilder von einer Frau auf die Großleinwand, die ein Transparent hochhielt: „Thank you, Sepp Blatter!“, hatte sie daraufgemalt.

Zuvor hatten über 1.500 Künstler und Statisten tanzend, trommelnd und singend versucht, ein ziemlich lässiges Bild von Afrika in die Welt zu schicken. Die Choreografien waren alles andere als zackig. Der Rhythmus war wichtiger als der perfekte Gleichschritt. Bei etlichen, die schon da waren - viele Zuscher kamenr erst zum Anpfiff, weil sie entweder in Stau stecken geblieben waren oder sich nur für die eigentliche Hauptsache bei einer Fußballweltmeisterschaft interessieren, den Sport – kam das so gut an, dass sie versucht haben den Takt der Eröffnungsshow auf ihren Vuvuzelas mitzublasen. Der unifrequente Sound, der sich ergibt, wenn mehrere Tausend Menschen gleichzeitig in ihr Plastikhorn stoßen, wurde beinahe rhythmisch.

Eine laute Gaudi war das in der riesigen Schüssel am Rande Sowetos. Dass es etwas Lauteres als Vuvuzelas gibt, das wurde den Zuschauern gleich zu Beginn der Eröffnungsfeier klargemacht. Kampfjets jagten über das Stadion gefolgt von einer Kunstflugformation. Das moderne Südafrika hat sich ausgerechnet mit einem militärischen Spektakel präsentiert.

„Hier ist Afrika!“ Das war die Botschaft, die von Soccer City aus in die Welt geschickt wurde. Die Show war als Befreiungsschlag für einen von vielen in der Welt vernachlässigten Erdteil inszeniert. Und als die Show vorbei war sollten die Spieler der Bafana Bafana dann noch beweisen, wie gut auf ihrem Kontinent gekickt wird. Das hat die Spieler zunächst sichtlich überfordert.

Übernervös agierte die Nationalmannschaft. Sie wirkte völlig überfordert in der ersten Hälfte. Erst nach der Pause entdeckten sie die Räume, die ihnen die langsamen Außenverteidiger der Mexikaner, allen vor allem Paul Aguilar, immer wieder ließen. Das 1:0 durch Siphiwe Thsabalala in der 55. Minute war der Beweis. Sie können es wirklich. Das 1:1 durch Rafael Marquez, den aufgerückten Innenverteidiger, zehn Minuten vor Schluss haben die Südafrikaner noch weggesteckt. Der Pfostenschuss von Mphela war zuviel.

Kräftig durchschnaufen musste nach dem Spiel der Kapitän der Bafana Bafana, Aaron Mokoena, bevor er sagen konnte: „Wir müssen daran anknüpfen, was wir in der zweiten Halbzeit gespielt haben, wir können es doch. Wir haben doch noch zwei Spiele.“ Vielleicht fällt ihm und seinen Mitspielern der zweite Auftritt am Mittwoch gegen Uruguay in Pretoria leichter. Dann müssen sie nicht mehr für einen ganzen Kontinent spielen. Dann spielen sie nur noch für ihr Land.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.