Fußball-Liga und Wirtschaft: Toll, toll, toll
Die Deutsche Fußball-Liga lässt sich von einer Unternehmensberatung bestätigen, wie wichtig sie im Wirtschaftskreislauf der Republik ist. Warum gerade jetzt?
FRANKFURT taz | Der Zeitpunkt war bewusst gewählt. In der einzigen April-Woche, in der im internationalen Wettstreit mal nicht der Ball rollt, hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) auf ihre wirtschaftliche Bedeutung aufmerksam gemacht, mit der ja passend eine sportliche Auferstehung im Europapokal einhergeht. "Unsere Schuhgröße ist bemerkenswert. Der Fußabdruck, den wir hinterlassen, ist größer als erwartet", bilanzierte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Christian Seifert, im verglasten fünften Stock der DFL-Zentrale im Frankfurter Westend, nachdem die Unternehmensberatung McKinsey eine von der DFL mitfinanzierte Studie vorgestellt hatte.
Demnach belaufe sich die Wertschöpfung aller direkten und indirekten Effekte jährlich auf 5,1 Milliarden Euro, das mache immerhin 0,2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt aus und sei mehr, als die gesamte Textilbranche der Volkswirtschaft im Lande einbringt. Zudem schaffe das Fußball-Business Jobs für 110.000 Personen, 70.000 davon in Vollbeschäftigung. Auf einen Arbeitsplatz bei einem Bundesligisten kämen zehn weitere bei Medien, Agenturen, Gastronomie, Zulieferern oder Sicherheitsdiensten.
Dem Bund bringe das an Steuern und Abgaben jede Saison 1,5 Milliarden Euro ein - damit ließen sich die fünf größten deutschen Universitäten finanzieren. Als Grundlage dienten alle erkennbaren Zahlungsströme und Umsätze, die im Zuge des Profifußballs entstehen - also flossen darin neben Spielergehältern, Eintrittsgeldern oder Fernseherlösen auch Parameter wie verkaufte Bratwürste, von Fans erworbene Trikots oder erforderliche Dienstleistungen ein.
"Unter dem Strich ist der Fußball ein Nettozahler", insistierte Seifert auch vor dem Hintergrund, dass am 23. April DFB- und DFL-Vertreter mit den Innenministern der Länder an einem runden Tisch zusammenkommen. Sollte dabei über die Beteiligung an den Kosten für Polizeieinsätze debattiert werden, die nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei bei 150 Millionen Euro liegen, sieht sich die DFL durch die Studie in ihrer Haltung gestützt. "Wir sehen verfassungsrechtlich keine Grundlage, uns an Polizeikosten zu beteiligen", so Seifert.
Ansonsten bereite allein die Situation im Pay-TV noch Anlass zur Sorge. Auch nach der Umbenennung in Sky schreibt der Bezahlsender keine schwarzen Zahlen. "Das ist für 2011 in Planung, aber Deutschland bleibt der schwierigste TV-Markt der Welt. In England sorgen neun Millionen Sky-Kunden für sechs Milliarden Euro Umsatz", erklärte Seifert. England bewegt sich also in anderen Sphären.
Der Boom in der Bundesliga, die in Sachen Zuschauerzuspruch und Sponsoring schon ein Alleinstellungsmerkmal besitzt, hat längst dazu geführt, dass der DFL-Vorstand ehrgeizige Ziele postuliert. Bayern München in der Champions League (gegen Olympique Lyon) und der Hamburger SV in der Europa League (gegen den FC Fulham) sollen dafür sorgen, dass ein dritter fixer Champions-League-Teilnehmer dazukommt; in der für die Verteilung der Europapokalplätze 2011/2012 maßgeblichen Fünf-Jahres-Wertung der Europäischen Fußball-Union (Uefa) fehlt nur noch ein Wimpernschlag, nämlich 0,417 Durchschnittspunkte, für das sich ohnehin 2012/2013 abzeichnende Überholmanöver an Italien. Vorausgesetzt, der einzige Serie-A-Vertreter Inter Mailand holt in seinem Halbfinale gegen den FC Barcelona keinen Punkt, genügen zusammen ein Sieg und ein Unentschieden der beiden Bundesligisten.
Damit nicht genug: "Danach fällt eine starke Saison Spaniens aus der Wertung - dann können wir auch die Primera División angreifen", sagte Seifert, der das speziell vom FC Bayern oft kritisierte Prinzip der solidarischen Verteilung der Fernsehgelder als Erfolgsschlüssel ausgemacht hat.
"Wir haben mittlerweile fünf Klubs, die mehr als 100 Millionen Euro Umsatz machen. Unsere ersten sechs erwirtschaften 900 Millionen - da ist nur die Premier League besser." Drei fixe Starter in der Königsklasse plus einen Qualifikanten würde auch bedeuten, dass die dadurch erzielten Mehrerlöse größtenteils im deutschen Kreislauf blieben, "das Geld wird in den sportlichen Wettbewerb investiert", glaubt Seifert, der indes auch hofft, dass das Streben nach der Champions League nicht wieder zu einem solch unvernünftigen Geschäftsgebaren führt, wie es einst Borussia Dortmund, Hertha BSC Berlin oder FC Schalke 04 vorexerzierten.
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