Fußball-Bundesliga: Hertha will doch Meister werden
Beim Spiel in Hoffenheim wirkt die Elf von Hertha BSC reichlich ramponiert, gewinnt aber mit 1:0. Schon denkt Manager Hoeneß wieder an den Titel. Und die Konkurrenz aus Hamburg und München spielt mit
Mit geradezu priesterlicher Demut haben bislang die Hertha-Verantwortlichen die überraschenden Erfolge ihres Teams gewürdigt - die Gefahr der menschlichen Hybris stets im Blick. Am Freitagabend war damit aber Schluss. Zumindest bei Manager Dieter Hoeneß. Erstmals nahm er den Deutschen Meistertitel ins Visier.
Nach dem 1:0-Erfolg in Hoffenheim erklärte Hoeneß völlig euphorisch: "Wenn wir nächsten Sonntag in Hamburg gewinnen, dann ist alles möglich." Ein zu diesem Zeitpunkt unerwartet kühnes Bekenntnis, das im Grunde erst nachträglich durch die Ereignisse am Samstag an Realitätsnähe gewann. Denn sowohl Bayern München als auch der Hamburger SV blieben am Wochenende ohne Punkte. Hertha ist damit fünf Spieltage vor Schluss an den beiden Kontrahenten vorbei auf den zweiten Tabellenplatz gerückt.
Nach der Begegnung in Hamburg werde er auch eine Prognose geben, wo Hertha am Schluss stehen werde, verkündete Hoeneß. Der frohgemute Manager hofft wohl darauf, dass die Norddeutschen durch ihre vielen Pokalverpflichtungen ermatten. An diesem Donnerstag spielt der HSV im Uefa-Cup Halbfinale gegen Bremen. Schon Mitte letzter Woche waren die beiden nordeutschen Mannschaften im Halbfinale des DFB-Pokals gegeneinander angetreten. Die Herthaner hingegen können erneut bis zum Wochenende die Füße hochlegen. Mit einem Sieg beim direkten Konkurrenten könnte das Berliner Team leicht wie eine Feder den letzten Aufgaben entgegenschweben.
Hertha hat diese Saison stetig zu überraschen gewusst, aber die beiden letzten Siege stellen vielleicht die verblüffendste Wendung in dieser Saison dar. Nachdem das Team nämlich zuvor dreimal hintereinander verlor, hatten die Berliner ihren Schreckensruf los, die gnadenlosesten Chancenverwerter schlechthin zu sein. Zudem schien es ausgemacht, dass die im Führungszirkel der Liga individuell am schwächsten besetzte Mannschaft nicht auch noch die Ausfälle von Kapitän Arne Friedrich und dem besten Torschützen Andrey Voronin verkraften könne. Nebenbei muss man sich bei Hertha noch mit zig Nebenkriegsschauplätzen beschäftigen.
Umso bemerkenswerter war es, dass ausgerechnet Patrick Ebert und Marko Pantelic, die beiden Boulevard-Protagonisten im Kader, wieder die Meisterträume in Hoffenheim beflügelten. "Wenn ich nicht spiele, arbeitet einer gegen den Verein", hatte Pantelic hatte vor dem Spiel gesagt und damit die Autorität von Trainer Lucien Favre untergraben. Der stellte ihn dennoch auf den Platz und war der spielerisch auffälligste Akteur. Pantelic gab auch den Pass zum Tor des Tages, das Patrick Ebert erzielte, gegen den immer noch wegen Sachbeschädigung an bis zu 13 Fahrzeugen ermittelt wird.
Ein mustergültiger Konter
Nur mit rationalem Denken ist Hertha nach wie vor schwer zu fassen. Der Hoffenheimer Selim Teber bilanzierte nach 25:9 Torschüssen, 15:2 Ecken und 38:10 Flanken für die Gastgeber: "Es ist wie verhext. Wir haben nach vorne gespielt, und Hertha hat mit einer Chance den Siegtreffer erzielt." Doch hinter Herthas Effizienz steckt System. Das Tor entsprang einem mustergültigen Konter, bei dem sich das Kollektiv perfekt von links nach rechts in den freien Raum verschob.
Dass Hoffenheims Boubacar Sanogo auf der anderen Seite mit einem Kopfball das Lattenkreuz erschütterte, kann man einerseits damit erklären, dass der Stürmer diese Saison selten woanders hin getroffen hat, andererseits bewies diese Szene einmal mehr, wie gut es das Schicksal mit den Berlinern meint.
Hertha gleicht derzeit einer Katze, die um eine zu große Beute balgt. Im Hoffenheimer Offensivwirbel sah die Berliner Elf reichlich ramponiert aus. Doch sie setzte sich dank ihrer Zähigkeit durch. Bestnoten wollte Trainer Favre dafür zu Recht weder an Pantelic, noch an das Team vergeben: "Marko war bemüht wie die ganze Mannschaft." Das hört sich nicht nach dem Zeugnis eines Meisters an. Sollte aber Wolfsburg sein Sonntagsspiel in Cottbus verlieren (nach Redaktionsschluss dieser Seite), wäre tatsächlich alles möglich.
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