■ Fusion – letzte Ausfahrt rechts: Angst vor Brandenburg
Berlin 1999. Die ersten gemeinsamen Landtagswahlen in Berlin- Brandenburg. 18.30 Uhr, nach den Hochrechnungen. In einer Eckpinte treffen sich der stadtbekannte CDU-Fusionsgegner Rainhold Fahrer und Eberhard Diepgen, einst Berlins Regierender.
Weißte Eberhard, das habe ich dir immer gesagt. Das Land wird rot, da versinken wir. Ich hab dich ja gewarnt. Die Nummer war für uns ein bißchen zu dick. Aber du wolltest ja partout die Fusion. Wolltest dir noch unbedingt dein historisches Plätzchen sichern, nachdem nichts geklappt hat. Bis auf den Umzug der Bonner, zugestanden. Aber die haben sich ja auch noch an dir gerächt. Wie? Der hat es auch nicht gebracht? Na, sieh ihn dir an in der Glotze, den früheren Umzugsbeauftragten aus Bonn, der hat auch nicht gut lachen. Aber du bist schuld, das kannste nicht wegreden. Damals ham wir alle gesagt: Eberhard, denk daran, die schönen Westberliner Zeiten, die kommen nicht wieder. Ost-Berlin war ja schon so ein Brocken, den mußten wir um der Einheit willen schlucken.
Klar, ham wir gemacht. Ging ja nicht anders – ideologisch gesehen. Prozente hatten wir da drüben wenige, aber die Geschäfte liefen doch weiter. Die Opposition konnte noch so rummäkeln, unsere Bande hielten. Der märkische Sand gelb! Daß ich nicht lache, rot hat er sich verfärbt. Wie hast du dich gefreut, damals vor vier Jahren. 22. Juni 1995, als die Parlamentarier dem Staatsvertrag zustimmten. Das Ding schien gelaufen, die Wahl im Oktober auch schon halb in der Tasche. Aber dann war's schnell vorbei. Du hast geredet, gelächelt, warst ständig in der Zeitung. Genützt hat es nichts. Die Stahmer von der SPD, geschwiegen hat sie, aber Frau ist sie – und zack war's aus mit uns. Die Volksabstimmung im Mai 96, die hast du nur noch in der Abstimmungskabine erlebt. Klar. Nachher durfteste noch zur CDU-Feier in Charlottenburg. Aber da stand er ja schon längst, unser neuer Spitzenmann. Der jetzt gerade unsere Wahlniederlage in der Glotze schönredet. Der Töpfer-Klaus. Von wegen selbstbewußt ins gemeinsame Land Berlin-Brandenburg! Jetzt führt Walter, der sich mal wieder bei den Sozis hochgemompert hat, die Koalitionsverhandlungen. Mit den Grünen. Und Bisky-PDS will tolerieren. Nein, Eberhard, so war das nicht ausgemacht, am 22. Juni 1995. Du wolltest mehr. Und was biste jetzt? Chef der BSR. Aufgezeichnet von Severin Weiland
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