Furcht vor Währungskrise: Yen rauf, Euro runter
Die starken Schwankungen im Wechselkurs des japanischen Yen verstärken die Sorge über eine internationale Währungskrise. Japanische Wirtschaft ist geschwächt.
BERLIN taz Die Finanzkrise erfasst nun auch die Devisenmärkte. Das neuste Sorgenkind ist die japanische Währung. Nicht etwa, weil sie vom Absturz bedroht ist. Im Gegenteil sorgt der starke Anstieg des Yen für Kursverluste an der Börse in Tokio und beunruhigt inzwischen Finanzpolitiker in aller Welt. Die in der G 7 organisierten großen Industrienationen zeigten sich gestern in einer gemeinsamen Erklärung besorgt über die "übermäßigen" Wechselkursschwankungen des Yen. Diese bedrohten womöglich die Stabilität der Weltwirtschaft.
Einen ersten Hinweis auf die neuesten Probleme gab vergangene Woche Elektronikriese Sony, der seine Ertragsprognosen für das laufende Geschäftsjahr kräftig nach unten revidierte. Der Kurs der Sony-Aktie brach daraufhin ein. Von anderen japanischen Konzernen werden ähnliche Gewinnwarnungen erwartet, da der hohe Yen-Kurs auch ihre Exporte verteuert und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. An der Tokioter Börse stürzte gestern der Nikkei-Aktienindex auf den tiefsten Stand seit 26 Jahren. Am Freitag hatte der Yen gegenüber dem US-Dollar seinen Höchststand seit 13 Jahren erreicht.
Der kräftige Anstieg des Yen wirkt auf den ersten Blick überraschend angesichts der anhaltenden Schwäche der japanischen Wirtschaft. Um diese scheinbar paradoxe Entwicklung zu verstehen, muss man wissen, dass der Yen nicht erst jetzt im Mittelpunkt des Interesses von Devisenhändlern steht. Seit Jahren haben sich Anleger in Japan, wo die Zinsen ausgesprochen niedrig sind, günstig Yen geborgt und das Geld umgehend in Anlagen mit wesentlich höheren Renditen angelegt. Bei diesen sogenannten Carry Trades handelt es sich nicht um Spekulation, also um Wetten auf die künftige Kursentwicklung, sondern lediglich um das Ausnutzen von allseits bekannten Zinsdifferenzen. So beträgt der Leitzins in Japan nur gerade mal 0,5 Prozent, in Australien aber 6 Prozent. Neben Australien und Neuseeland waren Osteuropa und Island besonders beliebte Anlageziele für Carry Trades. Doch im Zuge der Finanzkrise, die auch Länder wie Island und Ungarn erschüttert, erscheinen diese Deals plötzlich alles andere als sicher. Viele japanische Investoren tragen das Geld lieber wieder nach Hause. Selbst Anleger aus dem Ausland sind an Yen-Anlagen interessiert, denn die gelten wenigstens als solide. Dieser Zufluss treibt den Kurs des Yen nach oben.
"Wir sind besorgt über die jüngste übermäßige Volatilität des Wechselkurses des Yen und mögliche nachteilige Auswirkungen auf die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität", hieß es gestern in der Erklärung der Finanzminister und Zentralbankchefs der G-7-Staaten. Sie erwägen nun sogar eine koordinierte Aktion zur Stabilisierung der Wechselkurse. Dies bedeutet eine erhebliche Kehrtwende gegenüber der Laisser-faire-Politik der vergangenen Jahre, als die G 7 dem Verfall des US-Dollars einfach nur zusah. Einzelheiten über mögliche Maßnahmen wurden allerdings nicht genannt. "Der Yen wird kaum reagieren, weil die G 7 nicht so weit gegangen sind, eine tatsächliche Intervention auf den Devisenmärkten anzukündigen", meinte deshalb der Chef des Devisenhandels der japanischen Bank Mitsubishi AFJ, Akio Shimizu. Er behielt Recht. Nur ganz kurz gab der Yen-Kurs gestern nach, um dann seinen Anstieg wieder aufzunehmen.
Der Euro nimmt unterdessen die umgekehrte Richtung. Am Freitag war die europäische Währung auf ein Zwei-Jahres-Tief gestürzt. Gestern fiel der Euro weiter auf zeitweilig unter 1,24 Dollar. "Die Rezessionsängste heizen eine neue Runde der Flucht in sichere Häfen an", meint Commerzbank-Devisenexperte Ulrich Leuchtmann. Als solch sicherer Hafen gelten etwa US-Staatsanleihen.
Christian Dreger, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), erklärt die Abschwächung des Euro vor allem damit, dass sich die Konjunktur in der Eurozone stärker abschwäche als erwartet. Die negative Entwicklung der US-Wirtschaft habe der Markt dagegen schon antizipiert. Überdies dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins von derzeit 3,75 Prozent bald erneut senken, wie ihr Chef Jean-Claude Trichet am Montag signalisierte, während in den USA bei einem Zinssatz von nur 1,5 Prozent bei zugleich hoher Inflation kaum noch Spielraum nach unten ist. Die schwache Konjunktur kombiniert mit niedrigeren Zinsen lässt die Nachfrage nach Euro-Anlagen derzeit deutlich zurückgehen. Heißt das aber, dass der Dollar seine Rolle als führende Weltwährung wieder zurückgewinnt? Dreger ist skeptisch: "Ich glaube, das ist nur ein kurzfristiger Trend. Längerfristig fallen die USA als Konjunkturlokomotive aus." Insgesamt habe Europa die besseren Wachstumsaussichten als die USA. Dort werde die Immobilienkrise, mit der die ganze Finanzkrise begann, noch über Jahre hinweg auf die Nachfrage und damit auf die wirtschaftliche Entwicklung drücken.
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