Funkausstellung auch für Sehbehinderte: "Für andere Sinne was bieten"
Alles, was mit Musik zu tun hat, ist ein Muss, sagt Regina Ebert. Sie führt Sehbehinderte über die heute startende IFA.
taz: Frau Ebert, die Funkausstellung ist eine Show der Riesenglotzen. Warum braucht es Führungen für Blinde?
Regina Ebert: Ich staune auch immer wieder, welches Interesse unter Sehbehinderten herrscht.
In welchen Bereichen denn?
Blinde sind immer auf die neuen Fernseher mit bestem Soundsystem gespannt - zwar können sie nichts sehen, sie hören aber Filme oder schauen Fernsehen per Audiodeskription, wobei die Szenen wie in einem Buch beschrieben werden. Sehbehinderte interessieren sich meist für die neuen High-Definition-Fernseher. An diese können sie nämlich besonders nah herantreten und mehr erkennen. Beim alten Röhrenfernseher sah man da nur noch dreifarbige Pixel.
Was interessiert Blinde noch?
Sie freuen sich zum Beispiel auf die neuesten Notebooks mit Brailleschrift auf der Tastatur. Das sind kleine Punktmuster, die ihnen aber große Unabhängigkeit verleihen.
Müssen Sie viel erklären?
Die Teilnehmer meiner Führungen stellen oft Fachfragen, die mich beeindrucken. Ich bin technisch nämlich nicht die Versierteste - aber es ist wirklich grandios, was für eine Begeisterung manche mitbringen.
Wo müssen Sie auf jeden Fall einen Halt einplanen?
Audioinnovationen sind natürlich ein Muss: Radiogeräte oder Soundsysteme. Und alles was mit Musik zu tun hat, sowieso. Regelmäßig besuchen wir Stände mit für Blinde weiterentwickelte Telefonen und Handys, da sie darauf besonders angewiesen sind. Die Blinden wollen sich wie alle anderen Besucher über die Spezialangebote informieren. Manchmal entdeckt man Geräte, die nach der letzten IFA verbessert wurden, weil Blinde den Firmen Feedback geben können.
Wie laufen die Führungen ab?
Ich habe eine Route mit den drei Unternehmen, die an der Führung teilnehmen, und wir machen einen Treffpunkt aus, das ist wichtig - weil ja manche ganz allein nur in Begleitung ihres Blindenhundes kommen. Ich laufe vorher die Strecke ab und schaue nach dem günstigsten Weg, wo am wenigsten Kabel rumliegen, am wenigstens Stufen sind und keine anderen Gefahren lauern. Die Blinden bekommen dann Kopfhörer und ich rede in ein Mikrofon, dann merken sie nichts vom Lärm in der Halle.
Was ist anders als bei "normalen" Führungen?
Das Motto lautet: Weniger, aber intensiver. Ich mache auch Städteführungen. Für das Holländische Viertel in Potsdam zum Beispiel habe ich kleine Schablonen in Form der Häuser gebaut, so bekommen die Blinden eine Vorstellung von der Architektur. Auf der IFA können die Teilnehmer die Geräte anfassen und testen, das nutzen die meisten ausgiebig. Außerdem muss man halt für die anderen Sinne was bieten. Man nimmt einen typischen holländischen Käse oder einen guten regionalen Wein mit. Das wiederum wird auf der IFA schwieriger. Aber bei den Ständen werden die Bedürfnisse der Blinden zum Glück beachtet. Ich merke zum Beispiel, dass Blinde schneller müde werden. Manche Aussteller bereiten dann Sitzgelegenheiten vor und bieten Getränke an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!