Für ein Jahr bei Bayern München: Der Ehrgeiz der Leihgabe
Der FC Bayern München hat im Pokalspiel gegen den 1. FC Nürnberg etwas gutzumachen. Das gilt auch für Massimo Oddo, der endlich einen Stammplatz in der Mannschaft erobern will.
MÜNCHEN taz Das mit dem Hotelzimmer will Massimo Oddo um Himmels willen nicht falsch verstanden wissen. Dass er sich in München noch keine Wohnung und auch noch kein Haus gesucht hat, sondern eben im Hotel wohnt, liege nicht an ihm, sagt der italienische Fußballprofi vom FC Bayern München. Der einzige Grund sei die "famiglia". Seine Frau ist nämlich schwanger: "Claudia bekommt im Dezember unseren zweiten Sohn. Deshalb bleibt sie bei unseren Verwandten in Italien", sagt Oddo.
Doch ob die Oddos wirklich heimisch werden in München, wenn sie dann zu viert sind? Leise Zweifel sind erlaubt. Das liegt zunächst einmal an seinem Vertrag. Die Bayern haben Oddo für ein Jahr vom AC Mailand ausgeliehen, mit Kaufoption. Der Transfer kam auf den letzten Drücker zustande, nachdem Marcell Jansen kurz vor Ende der Wechselfrist zum Hamburger SV ging.
Oddo verhehlt auch nicht, dass es ein Wechsel aus der Not heraus war. Milan hatte für seine Position Gianluca Zambrotta verpflichtet, und die Zweitbesetzung wollte er nicht sein - auch nicht bei dem Herzensverein, dessen Jugendabteilung er bereits durchlaufen hat. Er wollte nicht im Alter von 32 Jahren auf der Bank Platz nehmen.
"Die Entscheidung zu wechseln fiel mir nicht leicht, doch sie war wohlüberlegt", sagt Oddo, der zum WM-Kader von 2006 gehörte - mit einem Kurzeinsatz während des Turniers - und 2007 als Stammspieler mit Milan die Champions League gewann.
Ein Blick auf den Kader der Bayern verriet ihm, dass Philipp Lahm als linker Verteidiger gebraucht wird und dass rechts, auf Oddos Seite, Willy Sagnol noch lange verletzt ausfällt - und dass dafür jemand namens Christian Lell spielte. Diese Perspektive veranlasste Oddo, den schon so gut wie eingetüteten Wechsel nach Lyon zugunsten der Bayern platzen zu lassen.
Doch Oddo, der für ein Fernstudium in Sport-Management eingeschrieben ist, kann noch nicht behaupten, in Deutschland sein Glück gefunden zu haben. In keinem der drei Pflichtspiele seit seiner Ankunft stand er in der Startelf. Zweimal wurde er für diesen jungen Mann namens Lell eingewechselt. "Natürlich ist man sauer, wenn man nicht spielt", sagt Oddo. "Ich bin nach München gekommen, um zu spielen. Ich hoffe sehr, dass es bald der Fall sein wird."
Am Mittwochabend sollte es nach einhelliger Meinung der Bayernbeobachter so weit sein. In der zweiten Runde des DFB-Pokals treffen die Bayern zu Hause auf den 1. FC Nürnberg (20.30 Uhr/live in der ARD). Dass es nach dem 2:5-Debakel gegen Werder Bremen Anlass gibt, das eine oder andere zu ändern, hat Trainer Jürgen Klinsmann bereits angedeutet. So wird Franck Ribéry wohl sein erstes Spiel seit dem Syndesmoseriss, erlitten bei der Europameisterschaft, absolvieren, unklar ist noch, ob von Anfang an. Auch Angreifer Miroslav Klose ist wieder fit.
Doch abgesehen von diesen Personalien erscheint der Wechsel Oddo für Lell geradezu zwingend - vor allem weil Klinsmann von seinen Außenverteidigern auch viele Offensivakzente erwartet. Lell hat zwar flinke Beine, vermag diese aber nicht einzusetzen, um das Angriffsspiel zu unterstützen. Die Streuweite seiner Flanken übertrifft selbst die urtümlichsten Schrotflintenmodelle um ein Vielfaches.
Oddo dagegen gilt nicht nur als unermüdlicher Arbeiter, sondern vor allem als einer der offensivstärksten Verteidiger Italiens. Gegen Bremen bereitete er mit einem schönen Zuspiel das 1:5 von Tim Borowski vor. Auch Klinsmann lobte bereits Oddos "sauberes Spiel, er ist technisch begabt, und dadurch kommt eine klare Linie rein". Er war nur von der Fitness des Italieners nicht überzeugt.
Doch mit der Erfahrung von 234 Serie-A-Partien sollte Oddo nun in der Lage sein, den Bayern mehr Stabilität und Kreativität als gegen Bremen zu verleihen - und sich selbst die ersten beruflichen Glücksmomente an seiner neuen Arbeitsstelle zu verschaffen.
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