piwik no script img

Frischmilch-Kennzeichnung gescheitertDarfs ein bißchen frischer sein?

Nur ein Drittel der Frischmilch ist nach einer Studie richtig gekennzeichnet. Verbraucherschützer fordern vom Verbraucherministerium klare gesetzliche Regeln.

Gerd Billen bei der Vorstellung der Testergebnisse. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein halbes Jahr nach der freiwilligen Selbstverpflichtung der Milchindustrie zur Kennzeichnung von Frischmilch tappen Verbraucher noch immer vorwiegend im Dunkeln: Ist da, wo Frischmilch draufsteht, auch wirklich frische Milch drin, oder handelt es sich um "länger haltbare", sogenannte ESL-Milch? Tatsächlich ist nur ein Drittel der Milch korrekt gekennzeichnet, wie ein bundesweiter Marktcheck der Verbraucherzentralen jetzt ergab. "Die Milchwirtschaft hat ihr Versprechen nicht gehalten und führt die Verbraucher weiter an der Nase herum", bilanzierte Gerd Billen, Vorsitzender des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, bei der Vorstellung der Untersuchung am Freitag in Berlin.

Um ESL-Milch (Extended Shelf Live) bis zu drei Wochen haltbar zu machen, wird sie entweder kurz hocherhitzt oder durch einen Mikrofilter gepresst. Dadurch verringert sich die Anzahl der Keime in der Milch. Echte Frischmilch hält sich hingegen etwa eine Woche, H-Milch, die über einen längeren Zeitraum hocherhitzt wird, bis zu drei Monate. Um den Verbrauchern die Entscheidung zwischen normaler Frischmilch und ESL-Milch zu ermöglichen, einigten sich Verbraucherministerium, Milchindustrie und Einzelhandel im Februar auf eine einheitliche Kennzeichnung: Herkömmliche Frischmilch müsse durch den Zusatz "traditionell hergestellt", ESL-Milch durch den Hinweis "länger haltbar" erkennbar sein. Die Milchwirtschaft sagte zu, diese Selbstverpflichtung zügig umzusetzen.

In den Läden bietet sich jedoch ein anderes Bild: Von 660 überprüften Milchpackungen aus 80 Geschäften waren nur 240 richtig gekennzeichnet. Den Rest schmückten Fantasiebezeichnungen wie "Fitmilch" oder "maxi frisch" oder es fehlte jegliche Kennzeichnung. Die Verbraucherschützer erklärten die Selbstverpflichtung daher für gescheitert. Es sei nun an Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), mit gesetzlichen Regelungen für eine klare Unterscheidung zu sorgen. "Wir haben nichts gegen ESL-Milch", stellte Billen klar. Filtriert sei sie nicht schlechter als klassische Frischmilch. Bei der Herstellung durch Erhitzen würden jedoch Vitamingehalt und Geschmack leiden. Transparenz sei daher nötig, um Verbrauchern die Wahl zu ermöglichen.

Milch ist nicht gleich Milch

ROHMILCH:

Diese Milch kommt nahezu direkt aus dem Euter in die Milchkanne. Da Rohmilch aber nicht mit Hitze behandelt wurde, enthält sie mehr Keime als abgekochte Milch und muss innerhalb von einem Tag verkauft werden. Für Rohmilch gelten zudem höhere Hygienestandards als für Milch, die in einer Molkerei verarbeitet wird. Vor dem Verzehr sollte Rohmilch zu Hause gekocht werden.

FRISCHMILCH:

Nach halbminütigem Erhitzen bei höchstens 75 Grad bleibt eine ungeöffnete Packung Frischmilch im Kühlschrank rund zehn Tage haltbar. Durch die Verarbeitung werden Krankheitserreger abgetötet, die in der Rohmilch noch enthalten sind. Frischmilch sollte nach dem Öffnen innerhalb von drei Tagen verbraucht werden. Sie wird wie alle anderen Sorten auch mit einem reduzierten Fettgehalt oder als Bioprodukt angeboten.

ESL-MILCH:

ESL steht für Extended Shelf Life (länger haltbar im Regal). Sie wird auf über 120 Grad erhitzt oder mikrofiltriert, also besonders fein gefiltert. Die Milch ist an ihrem langen Haltbarkeitsdatum von bis zu drei Wochen und Hinweisen wie "länger frisch" zu erkennen. Hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe ist ESL-Milch laut Experten genauso vollwertig wie herkömmliche Frischmilch. Verbraucher müssen aber entscheiden, ob sie vorgekochte Milch noch als frisch empfinden. Zudem kann die ESL-Milch durch das Erhitzen einen leichten Kochgeschmack haben. Auch Biomilch kann ESL-Milch sein.

H-MILCH (HALTBARE MILCH):

Ungeöffnet kann H-Milch bei Zimmertemperatur bedenkenlos bis zu drei Monate lang gelagert werden, da sie in der Verarbeitung kurz bis zu 150 Grad erhitzt wird. Dabei können bis zu einem Fünftel der in Milch enthaltenen Vitamine verloren gehen. Auch das Eiweiß in der Milch verändert sich, dadurch wird H-Milch allerdings etwas bekömmlicher.

Aigner sagte am Freitag zu, die Milchkennzeichnung zu überprüfen. "Ziel muss es doch sein, mehr Transparenz zu schaffen", sagte die CSU-Ministerin.

Derweil ändern nach Kritik von Verbraucherschützern an Lebensmittelplagiaten mehrere Anbieter Rezepturen oder Verpackungsaufschriften. Unter anderem will der Discounter Lidl die Bezeichnung eines Truthahn-Brustfilets ändern: In etwa zwei Monaten kommt laut Unternehmsangaben das Produkt unter der Bezeichnung Truthahnbrust ohne den Hinweis "Filet" in die Filialen. Filet suggeriert Verbraucherschützern zufolge ein gewachsenes Stück Fleisch. Das Lidl-Produkt enthalte aber zerkleinertes und wieder zusammengefügtes Truthahnfleisch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • B
    BAReFOOt

    Ich finde die Machenschaften der „Milchnebenerzeugnisrestproduktpräparat”-Industrie unter aller Sau. Was da als „Milch“ bezeichnet wird, hat Chemisch nichts mehr damit zu tun, und ist mehr mit einer Brühe aus in Wasser gelösten kaputten Eiweissmolekülfetzen verwandt.

    Also ein waschechter Betrug auf Nationaler ebene, mit Millionen an Gesundheitsschäden. Bewusst. Absichtlich. Bösartig. Und rein profitorientiert.

     

    Teeren, Federn, Pfählen, Kielholen, durch’s Dorf schleifen und und Vierteilen sollte man die dafür!

     

    Das funktioniert nur, weil die Regierung ja erwiesenermaßen aus Schwerkriminellen und Kindesmissbraucher-Beschützer (wie der Zensursula) besteht,

    und das Volk ein Haufen verblödetes Vieh sind, die ihr Leben in einem zombieartigen Wachtraum leben.

  • GH
    G. H. Pohl

    Vielleicht finde ich hier Hilfe: ich bilde mir ein, ich könnte essen und trinken was ich möchte. Ist das eine schwere Krankheit? Außerdem soll es da ein (Grund)- Gesetz geben, das mir Selbstbestimmung garantiert..??? Muß man sich mal vorstellen, was man sich für einen Blödsinn einbilden kann!

  • JK
    Jan Konnerth

    Ich kann mich hier auch nur mit Unmut zu Wort melden, es ist wirklich schade ein gutes Lebensmittel wie die Milch auf so irreführendem Wege an den Verbraucher zu bringen.

    ich suche inzwischen schon aktiv nach Supermärkten die noch die "gute alte Milch" verkaufen - leider finde ich diese zunehmend nur noch in Biomärkten.

    Discounter verdienen an mir schon nichts mehr weil es jene dort gar nicht mehr gibt - In Märkten von REWE oder KAUFLAND/HANDELSHOF findet man eine große Auswahl an Milch doch auch da mischen sich die Fake-Frischmilchtüten ins Angebot - da hat man noch die Werbung von dem Bär im Kopf der Milchkannen schwenkt und dann bekommt man eine art Milchwasser das an ein Reiniger erinnert in die Tüte auf der dann "länger haltbar" steht.

    Schade - wirklich schade.

    In naher Zukunft sehe ich mich Milch bei einem Bauern kaufen, ... weil ich jene die ich kaufen könnte nicht mag.

     

    Lieber Hersteller: Steht doch zu dem, was ihr mit der Milch anstellt, schreibt drauf was damit passiert ist bevor sie in die Tüte oder Flasche kommt. An den Verkaufszahlen werden ihr merken, was die Verbraucher wollen - dann produziert einfach davon mehr und lasst das andere weg.

    Kundenorientierung wird das genannt.

  • T
    Thomas.Sankara.in.memoriam

    - und ob die Tiere mit Gentech Futter gefüttert wurden, vielleicht mit Soja von Plantagen, wo zuvor Urwald zerstört wurde, in Brasilien, wo mehrere Mi. Menschen schwer mangelernährt sind ... das steht alles auch nicht drauf, oder?

  • M
    Martin

    "ESL-Milch laut Experten genauso vollwertig wie herkömmliche Frischmilch." Welche Experten sagen das? ESL-Milch enthält ca. 10% weniger Vitamine als herkömmlich produzierte Frischmilch, außerdem verliert sie bei der Lagerung mehr Vitamine, schon deshalb, weil sie schlicht länger gelagert wird, beim Händler oder Verbraucher. Noch was, das Verbraucher wohl oft nicht bedenkt: Angebrochen ist ESL-Milch auch nicht haltbarer als frische. Sie hat sogar den Nachteil, daß kaum auffällt, wenn sie anfängt zu verderben. Frischmilch wird einfach sauer und gerinnt.

  • S
    Sunny

    Also ehrlich. Hier wird wieder so getan, als hätten die Kunden ein Recht darauf zu wissen, was sie kaufen.

     

    Solch Ansinnen mag auf den ersten Blick zwar einleuchtend erscheinen, aber denken wir mal zu Ende, wenn der Käufer wirklich über die Entstehungsbedingungen der Produkte aufgeklärt würde, wären die meisten Artikel für normale Durchschnittskäufer nicht mehr akzeptabel.

  • BK
    Bastian Kummer

    Anstelle sich weiterhin 'hochverarbeitete' Kuh-Drüsensekrete runter zu kippen, die nicht nur mit Eiter und Blut versetzt sind, dazu gesundheitsschädlich und nicht zu vergessen ethisch in der unterste Schublade einzuordnen sind sollte mensch sich 'vielleicht' überlegen auf gesundheitlich, ökologisch, ökonomisch und ethisch vorteilhafte Pflanzenmilch umzusteigen.