piwik no script img

Archiv-Artikel

Friedrichshafen stellt alte Ordnung her

Der SCC Berlin verliert das erste Finalspiel um die deutsche Volleyball-Meisterschaft in der heimischen Sömmeringhalle gegen den einstigen Seriensieger VfB Friedrichshafen mit 2:3 und muss nun um die Titelverteidigung bangen

BERLIN taz ■ Der erste Eindruck: Ein überragender SCC Berlin dominiert einen etwas gelangweilt wirkenden VfB Friedrichshafen. Auf der Anzeigentafel schlug sich das derart nieder: 25:21 für die Volleyballer aus Charlottenburg im ersten, das Gleiche noch mal im zweiten Satz. Es sah sehr gut aus für den Titelverteidiger. Es sah nach Sieg aus.

Manchmal erweist sich der erste Eindruck als falsch. Am inzwischen spät gewordenen Mittwochabend in der Charlottenburger Sömmeringhalle tat er das auf für die Berliner schreckliche Weise – und Mitte des dritten Satzes. Erst holte der Gast vom Bodensee einen Vier-Punkte-Rückstand auf, dann übernahm er die Führung (in jeder Hinsicht), schließlich gewann er den dritten Durchgang mit 18:25. Es sollte der Anfang vom Ende sein für die Hausherren. Trotz heftiger Gegenwehr gewann der VfB auch Satz Nummer vier (25:23), im Tiebreak (10:15) wirkte es gar so, als spielten da Profis gegen Amateure. Die inzwischen motiviert auftrumpfenden Friedrichshafener deklassierten eine in sprachlosem Staunen erstarrte Berliner Mannschaft.

Das Staunen war durchaus verständlich: In dieser Saison hatte die Mannschaft von Trainer Mirko Culic noch kein einziges Heimspiel verloren. Nach dem Gewinn der Meisterschaft im Vorjahr und dem ersten Platz nach Abschluss der Vorrunde wurden bereits Stimmen laut, die die ehemals einsame Spitzenstellung des VfB Friedrichshafen wanken sahen. Dass VfB-Trainer Stelian Moculescu vor der Saison seine drei besten Spieler ins Ausland hatte gehen lassen, sorgte nicht nur bei SCC-Trainer Culic für vorsichtigen Optimismus: „Wir sind besser eingespielt, der Pokalsieger hat dagegen das jüngere Team, dem es noch etwas an Erfahrung fehlt.“ Ungeachtet der Tatsache, dass Friedrichshafen über den mit einigem Abstand größten Etat der Liga verfügt, hatte das die Hoffnung geweckt, dem einstigen Serienmeister zumindest sportlich Paroli bieten zu können. Nun dürfte diese Hoffnung schlagartig gestorben sein. „Am Ende wird die Saison ausgezählt, und nicht am Anfang“, ließ VfB-Manager Bernd Hummernbrum nach dem ersten Finalspiel zufrieden wissen. Zumindest aus Friedrichshafener Sicht ist die durcheinander geratene Hierarchie im deutschen Volleyball wieder in Ordnung.

Zu verdanken ist das unter anderem dem am Mittwoch überragend aufspielenden Jochen Schöps. Der 20-jährige Neuzugang „ist schon Gold wert“, wusste Hummernbrum und zeigte sich darüber selbst etwas überrascht: „Geplant war, dass er im ersten Jahr in die Mannschaft wächst und im zweiten Stammspieler wird“, so der Manager. Nun hat er dem VfB zumindest das erste Finalspiel gewonnen. Auch Moculescu war dafür voll des Lobes: „Schöps hat den Unterschied gemacht. Er hat alles tot gemacht, jeden Ball.“ Auch auf der anderen Seite des Netzes hat man das erkannt. „Wir haben keine Antwort auf Schöps gefunden“, befand der sichtlich um Erklärungen ringende Mirko Culic.

VfB-Manager Hummernbrum nahm die zumindet vorübergehende Herstellung der alten Ordnung mit Genugtuung zu Kenntnis, bestätigt sie ihn doch in der Ahnung, dass die letzte Saison, in der der VfB bereits im Halbfinale gescheitert war, nichts mehr war als ein Ausrutscher. „Das Problem war, dass wir zwei Jahre fast die gleiche Mannschaft beisammenhatten und diese schon Pokalsieger und Meister war“, erklärte Hummernbrum, sprach von „Spannungsverlust“ in der letzten und „einem Neuanfang“ in dieser Saison.“ Das Double aus Pokalsieg und Meisterschaft vor Augen, könnte es ein Neubeginn auf höchstem Niveau werden.

In Berlin hat man diese Gefahr am Mittwoch schmerzlich erkennen müssen, allzu große Hoffnung, die Finalserie nochmal drehen zu können, scheint jedenfalls nicht vorhanden. Traurig stellte SCC-Geschäftsführer Günter Trotz fest, dass er nun „die schwere Meisterschale im Handgepäck nach Friedrichshafen mitschleppen“ müsse. Tatsächlich könnte der VfB in den nächsten beiden Spielen (Samstag und Sonntag) vor heimischem Publikum bereits alles klar machen und die 38 kg schwere Trophäe gleich am Bodensee behalten. Das wäre zwar vorteilhaft fürs Handgepäck, freuen aber dürfte es keinen der Berliner.