Fremdenhass bleibt immer aktuell

Die Baustelle aufgeräumt: Sibylle Broll-Pape versucht sich im Bochumer „prinz regent theater“ am „Kampf des Negers und der Hunde“ von Bernard-Maria Koltès – doch leider unterliegt die Moral der Witzischkeit

Zuweilen eilt der Geist dem Körper voraus. Zum Beispiel, wenn Theater-IntendantInnen eine neue Wirkungsstätte vor Augen haben. Während die Gedanken bereits umziehen, wird die Arbeit am aktuellen Ort noch rasch vollbracht. So gesteht sich Matthias Hartmann, Chef des Bochumer Schauspielhauses, in seiner letzten Spielzeit in Bochum nur eine einzige Inszenierung zu. Er befinde sich in einer „künstlerischen Krise“, erklärt der Theatermann, obwohl er vermutlich einfach mehr schon in Zürich weilt als noch im Ruhrgebiet – zumindest im Kopf.

Sibylle Broll-Pape, Intendantin des Bochumer „prinz regent theaters“, wird Hartmanns Zerrissenheit nachempfinden können. Immerhin interessiert sich die Bielefelder Bühne für die Theaterfrau, die sich umgekehrt, so heißt es, auch für Ostwestfalen erwärmen könnte. Dort würde dann bald eine Dame agieren, die zuletzt sehr aufgeräumt, sehr geradlinig inszeniert hat – weshalb es oft lang und manchmal auch weilig wurde. Nun hat sich Broll-Pape am „Kampf des Negers und der Hunde“ von Bernard-Maria Koltès versucht, dem populärsten Kammerspiel des Franzosen, das derzeit wieder häufiger auf die Spielpläne rückt – Fremdenhass wuchert schließlich überall und bleibt stets aktuell.

Koltès weitet die Hasszone bis in die afrikanischen Einöde aus, genauer: bis auf eine französische Baustelle. Dort ertränken Baustellen-Boss Horn (Dominik Glaubitz) und Ingenieur Cal (Udo Thies) ihr klägliches Sein in Whiskey, gefangen in der fremden Welt, schließlich auch in sich selbst. Bis plötzlich Alboury, der titelgebende Farbige (Jubril Sulaimon), erscheint und die Leiche seines Bruders mitnehmen will, der auf merkwürdige Weise ums Leben kam. Allmählich versinkt die Steppe in einem intriganten Hick-Hack, das nur durch Horns takelige Freundin (Eva van Heijningen) an Farbe gewinnt. Léone, so der Name der naiven Perle in Pink, brennt regelrecht für den rätselhaften Schwarzen, den sie nur bezirzt, weil er so anders aussieht als alle anderen – so, ähem, so schwarz!

Ein Lehrstück also? Das könnte es zumindest sein. Doch die Intendantin ist zu sehr auf Komik bedacht. Außerdem hält sie sich mit Einfällen redlich zurück, was die Inszenierung häufig blass aussehen lässt. Dramaturgisch holpert es, von der eigentlichen Mysthik in Léones und Albourys tête-à-tête ist nichts zu spüren. Ein karges Spiel auf einer ebenso kargen Fläche, die auf das duplizierte Bild eines Schäferhundes zuläuft. Dieser darf, wie er so die Zähne fletscht, als Metapher für den Rassismus herhalten und nach der Pause eine hölzerne Fratze einrahmen, die mächtig auf die Protagonisten glotzt.

Auf Udo Thies zum Beispiel, der die Figur des Cal arg in die Ecke des wimmernden Milch-Trinkers drängt, der sich nun kantig gibt und „gerne schwitzt“. Thies‘ Flennerei ist aber letztlich eine mehr schlecht als recht sitzende Maske. Wenn er an der Rampe steht, über „Negerspucke“ referiert, über Flüsse voll „Negerspucke“, auf der oben „die Neger schwimmen“, dann ist dieser Cal so aufgesetzt und überzeichnet, dass sich einige im Publikum das Lachen verkneifen müssen: Negerspucke, wie heiter! Wohl kein Lehrstück also, denn spätestens an dieser Stelle kämpft die Moral mit der Witzischkeit – und unterliegt.

BORIS R. ROSENKRANZ