Fremdenfeindlichkeit in Berlin: Tunesier mit Latten verprügelt
In Prenzlauer Berg wird ein dunkelhäutiger Mann von zehn Männern und Frauen beleidigt und mit Holzlatten angegriffen. Die Täter entkommen, der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.
BERLIN taz | Die Bewohner von Prenzlauer Berg gelten als modern, weltoffen und politisch linksalternativ. Auch Touristen fühlen sich von dem Ausgehkiez angezogen. Fremdenfeindliche Übergriffe sind so mit das Letzte, womit man dort rechnen würde. Doch die Realität ist anders: Ein 25-jähriger Tunesier wurde am Sonntagmorgen von einer zehnköpfigen Gruppe beleidigt und mit Holzlatten angegriffen. Das Ganze fand nicht irgendwo im Kiez statt, sondern vor der KulturBrauerei in der Knaackstraße. Die KulturBrauerei wirbt unter dem Slogan " ,melting pot' der kulturellen Szene der Hauptstadt" um Besucher und hat im Jahr über eine Million Gäste.
Ob der 25-jährige Tunesier zu diesen gehörte, ist der Polizei nicht bekannt. Das Ganze begann Sonntag früh gegen 4.45 Uhr in der Knaackstraße. Der Tunesier stand vor der KulturBrauerei. Von hinten habe ihn jemand als "Scheißkanake" beschimpft, so die Polizei. Als er sich umdrehte, habe er einer zehnköpfigen Personengruppe, darunter zwei Frauen, gegenübergestanden. Der Tunesier habe die Straßenseite gewechselt und versucht, sich in Richtung Danziger Straße zu entfernen. Aber die Gruppe sei ihm gefolgt.
In der Lychener Straße sei er von den Männern und Frauen "zu Boden gebracht" worden. "Sie traten ihn mit Füßen und schlugen mit Holzlatten auf ihn ein", beschrieb ein Polizeisprecher das Geschehen. Dem Angegriffenen sei es gelungen, eine der Latten zu ergreifen und sich zur Wehr zu setzen. Daraufhin hätten die Unbekannten zunächst von ihm abgelassen. Nachdem sich der Mann aufgerappelt hatte, sei er von drei bis fünf Personen aus der Gruppe mit Flaschen und Pflastersteinen beworfen, aber nicht getroffen worden. Schließlich sei es ihm gelungen, sich in Sicherheit zu bringen und die Polizei zu rufen. Ein Rettungswagen habe den Tunesier ins Krankenhaus gebracht.
Nach einer ambulanten Behandlung konnte der Mann am Sonntagmorgen entlassen werden. "Er war ziemlich ramponiert", sagte der Polizeisprecher. "Da ist einiges passiert." Die Polizei habe die Umgebung nach den Tätern abgesucht, allerdings ohne Erfolg. Es seien aber "eine Menge Spuren und Beweismittel" gesichert worden.
Es gebe keinen Anlass, an der Darstellung des Geschädigten zu zweifeln, so der Polizeisprecher. Gesucht werde nach einem Motorradfahrer, der als Augenzeuge des Vorfalls in Betracht komme. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.
Ein Mitarbeiter des antifaschistischen Pressearchivs "apabiz" sagte, es verwundere ihn nicht, dass sich solch ein Vorfall in Prenzlauer Berg ereigne. Schon im Jahr 2005 hatte der Verfassungsschutz in einer Studie darauf hingewiesen, dass sich Übergriffe von Rechten an der Schönhauser Allee häuften. Darauf, dass es sich im aktuellen Fall um Rechtsextreme handelte, hat die Polizei bisher allerdings keinen Hinweis.
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