piwik no script img

Archiv-Artikel

Freibrief für Pädokriminelle

betr.: „Babymissbrauch ohne Schaden?“ taz vom 16. 8. 03

Muss ein beschützenswertes Kind sich also erst durch sein Alter dafür qualifizieren, um vor seinem Vater bewahrt zu werden, der sich, wie es heißt, „spontan“ dazu hingerissen fühlt, seine eigene Tochter zur sexuellen Befriedigung einzusetzen? Spätfolgen oder nicht: Wie weit darf es eigentlich kommen? Drei Jahre sind ein lächerlich mildes Urteil. Bald unterscheidet man dann zwischen „schädlichem“ Kinder- und „harmlosem“ Babymissbrauch.

ISABELLE HAHN, Taunusstein

Wir sind empört, im Jahr 2003 solche Aussagen zu lesen: dass Spätfolgen für das Baby nicht zu erwarten sind. Sexueller Missbrauch hinterlässt immer Spuren. [...]

Wir erkennen an, dass Sexualstraftätern ein faires Verfahren zusteht und der Ruf des Volkszorns nach der Todesstrafe keine juristische Basis in einem Rechtsstaat ist. Wie aber wird durch diese Entscheidung das Grundrecht des kleinen Mädchens und ungezählter weiterer vergangener und zukünftiger Opfer auf körperliche Unversehrtheit gewahrt? Es ist schlichtweg falsch, wenn der Bundesgerichtshof (BGH) voraussetzt, dass „nachteilige Folgen für das geschädigte Kind nicht zu erwarten sind“. Dies widerspricht in eklatanter Weise allen aktuellen Forschungen auf dem Gebiet der Spätfolgen und Traumatisierungen von Menschen, die als Kinder Opfer sexueller Gewalt wurden – im Gegenteil, die neuesten Ergebnisse der Traumaforschung belegen eindeutig, dass sexuelle Gewalterfahrungen umso schwerer therapierbar sind, je jünger das Opfer ist/war. [...] Insbesondere werten wir die Begründung des BGH, dass „nachteilige Folgen für das geschädigte Kind nicht zu erwarten sind“, als einen Freibrief für alle Pädokriminellen, auf möglichst junge Kinder bei der Opferwahl zurückzugreifen, da bei einem eventuellen Bekanntwerden höchstrichterlich entschieden wurde, dass sexuelle Gewalt an Säuglingen juristisch milder zu betrachten ist als Sexualverbrechen, die an Kindern und/oder Pubertierenden verübt werden. [...]

BETTINA HENNIG, Minden, ALEXANDRA BIELING, München,

MONIKA KREUSEL, Köln, RENE ZOCH, Uckermünde