: Frauen veränderten ihre Tradition
betr.: „Riten im Übergang“ (zur Ausstellung „Podai – Malerei aus Westafrika“) von Ursula Wöll, taz vom 23. 1. 04
Die Geschichte, wie und warum die Podaimalerei im Museum zu sehen ist, lässt sich auch auf andere Weise erzählen. Die Ausstellung zeigt Bilder von Frauen, die eine traditionelle Kunst ausüben. Diese Frauen sind selbstbewusst und schöpferisch genug, um ihre Traditionen zu überschreiten, Neues zu schaffen. Allen an Karl-Heinz Kriegs Podaiprojekt beteiligten Künstlerinnen war klar, dass sie etwas Neues schufen, das sich von ihrer Tradition entfernte. Nicht das Museum, nicht der Sammler, sondern die Frauen selbst veränderten ihre Tradition. Nur in der Sammlung Krieg kann ihre Kunst dauerhaft bewahrt werden. Und so steht die Kunst von elf Frauen aus Guinea im Zentrum der Ausstellung im museum kunst palast.
Die Bilder sind kraftvoll, rätselhaft und schön. Es wäre schade, wenn Frauen wie die Podaimalerinnen ihren Platz in der Weltkultur dauerhaft nur als Traditionspflegerinnen einnehmen dürften, anstatt ihr künstlerisches Potenzial zu entwickeln. Deshalb werden sie in Ausstellung und Katalog als Individuen und nicht als Kollektiv vorgestellt. Mit einer Ausstellung von Feldfotos, wie von der Rezensentin verlangt, würde dieses anachronistische Muster nur bestätigt. Volkskultur ist aber dynamisch, bei der Podaimalerei ist Veränderung sogar Teil der Tradition.
Zur Kritik an der Darstellung des sozialen und politischen Kontextes: Die Beschneidung wird nicht nebenbei und kritiklos bloß „gestreift“. Vielmehr macht der Katalog Angebote zu ausführlicherer Beschäftigung mit diesem Problem. Wenn es einen Weg zur Abschaffung dieser unmenschlichen Tradition gibt, dann führt er über interkulturelle Begegnungen. Eine Podaiausstellung kann dafür ein erster Schritt sein. Ein Letztes: Nicht nur neun Leinwände und zehn A2- und A3-Blätter zeigt die Ausstellung, sondern insgesamt 108 Werke. Und jedes einzelne ist es wert, betrachtet zu werden.
CHRISTOPH DANELZIK-BRÜGGEMANN
Kurator der Ausstellung, Düsseldorf