Frau Jaschkes saure Dauerwelle

■ Ein Interview mit Jutta Wübbe alias Marlene Jaschke

Nur wenige können die Absurdidät des Alltags so präzise übertreiben wie die Hamburger Komikerin Jutta Wübbe mit ihrer Figur Marlene Jaschke. Schon wenn die altjüngferliche Chefsekretärin mit ihrem beigen Kostüm, rotem Hut und Bluse, Hornbrille, braunen Gesundheitsschuhen und gleichfalls brauner Handtasche die Bühne betritt, gibt es kein Halten mehr: die schüchternen Ausfallschritte plus Achselzucken und Kopfschräglage, das zwanghafte Zusammenhalten der Beine im Sessel und das Abklappen des Schienbeins nach vorne im Erzähleifer. So läßt die Dame ohne Mann mit dem Hang zu Eierlikör, Wellensittichen, Pierre Brice und Udo Jürgens ihrer Klönleidenschaft vollen Lauf. Nichts bleibt uns erspart, vom „Tigerbrötchen“, das sie morgens beim Bäcker kauft, bis zu den Gießregeln für den Gummibaum ihres Chefs. Vom Volkshochschulkurs, in dem sie das richtige Atmen lernt, bis zum Streit mit einer anderen Boutique-Kundin um eine Pelzkappe aus echt Toscana-Lamm, Langhaar. In ihrer Heimatstadt wird Jutta Wübbe schon mit der Volksschauspiellegende Heidi Kabel verglichen. Gut gemeint, aber Ähnlichkeiten gibt es nur im Slang. Denn Heidi Kabel hat höchstens mal Reklame für eine Margarine gemacht, uns aber leider nie in die korrekte Pflege ihrer Edelstahlspüle eingeweiht.

taz: Es ist doch bestimmt kein Zufall, daß Sie oft in schwulen Etablissements auftreten, in Berlin im SchwuZ oder in Hamburg im Hirschfeld-Zentrum.

Jutta Wübbe: Das liegt daran, daß ich einen Neffen habe, der schwul ist. Was Berlin angeht, da hat er den Kontakt hergestellt zu Erika Radtke vom SchwuZ.

Ich wollte auf die vielen Jaschke- Fans vom anderen Ufer hinaus.

Woran das liegen mag, habe ich mich natürlich auch schon gefragt. Ich denke, daß die Marlene Jaschke erstmal sehr schrill ist, aber auch eine Mischung aus Toleranz und Mütterlichkeit. Genau erklären kann ich das nicht, auffällig ist das schon.

Was die Jaschke macht, ähnelt dem, was sonst die Tunten machen. Vielleicht ist es nicht ganz so böse und radikal.

Mag sein, aber ich bin ja eine Frau. Und ich finde das, was die Tunten machen, zum Teil sehr aufgesetzt, manchmal auch ein bißchen nervig — aber es gibt natürlich auch ganz tolle Tunten.

Hat die Jaschke nicht auch was Frauenfeindliches?

Nein, das finde ich gar nicht. Ich will mich so anziehen, das liegt mir. Ich könnte mich auch sehr schön machen, aber das ist für mich uninteressant. Zur Komikerin gehört auch das passende Kostüm — obwohl ich die Marlene Jaschke inzwischen auch in anderen Kostümen spielen könnte, anders als das vielleicht noch vor vier Monaten war. Aber was ich mache, ist gar nicht bissig gemeint. Es ist ja auch ein Teil von mir, ich war ja auch mal so, bin vielleicht an manchen Ecken noch so.

Wo kommt das Kostüm her?

Das habe ich von der Mutter meiner Freundin, der Hut ist aus dem Secondhand-Laden, die passende Bluse dazu auch. Die Schuhe habe ich damals neu gekauft, die Handtasche ist von meiner Mutter.

Angefangen haben Sie als richtige Clownin.

Ich habe mit der roten Nase begonnen auf der Straße, auf Plätzen, in Fußgängerzonen, bei Straßenfestchen. Dann bin ich mal für einen Vergnügungspark engagiert worden, der drei Monate lang in Hamburg lief. Ich kam da aber nicht so an, ich war zu leise, zu fein. Darüber war ich sehr unglücklich und habe das meiner Freundin erzählt. Die schlug mir dann vor, mal das Kostüm ihrer Mutter anzuziehen — ich solle mal als Touristin gehen. Da habe ich gemerkt, das kommt sofort an. Irgendwann wurde ich dann mal gefragt, ob ich ein Soloprogramm hätte.

Wer hat Sie damals angesprochen?

Das war ein Herr, der organisierte Kultur in Altenheimen.

Und Sie sind auch im Altenheim angekommen?

Ja, aber anders. In den Altenheimen war es eher so, daß die Leute mich sehr ernst genommen haben, die haben ja wirklich gedacht, ich wäre eine der Ihren. Die da auf die Bühne steigt und quasselt und unbedingt was von sich erzählen will. Das fanden die gar nicht toll. Von einer Frau bin ich sogar von der Bühne gejagt worden. Die Herren haben sich teilweise in die Frau Jaschke verliebt, die wollten mich fotografieren, die wollten mit mir spazierengehen. Ich war auch nie angekündigt als Frau Jaschke. Die wußten nur, heute nachmittag gibt es eine Stunde Theater. Die haben gar nicht geschnallt, daß ich die Theaternummer bin. Das war ganz spannend.

Wie haben Sie ihre Begabung bemerkt?

Das war vor fünf Jahren, als ich in einem Clowns-Workshop mitgemacht habe. Da haben mir die Lehrer gesagt, da ist was, nimm das mal ernst. Vorher hat mich Theater nie interessiert, bin kaum hingegangen, fand das immer langweilig. Ein halbes Jahr später habe ich meinen Job gekündigt. Der erste Oktober 1985 war mein erster Tag in der Freiheit.

Was ist Improvisation und was nicht?

Aus Improvisation sind feste rote Fäden geworden, aber bei jeder neuen Bewegung, die ich entdecke — auch während einer Show — da amüsiere ich mich immer noch köstlich. Huch, was ist das denn jetzt? Das Programm entwickelt sich so, ich probe nicht mit einem Regisseur. Das hat meist etwas mit Rhythmus zu tun, manchmal hat man auch nur Worte vertauscht. Der Satz muß richtig sitzen. Ob ich nun sage: ,Ich krieg' keinen Kontakt‘ oder eben noch eins draufsetze und sage: ,Ich krieg' überhaupt keinen Kontakt hier.‘ Das ist dann schon zuviel.

Sie haben fünfzehn Jahre in Büros gearbeitet. Was hat das mit Frau Jaschke zu tun?

Ich war zwar selbst nicht Chefsekretärin wie die Frau Jaschke, habe aber viel mit diesen Frauen zu tun gehabt. Wenn ich in deren Vorzimmer gekommen bin, war ich eben das letzte Hemd. Die sind die absoluten Herrscherinnen, im Prinzip auch über ihren Chef. Das finde ich zu komisch, das sind auch Hexen und Schnepfen. Aber es ist nicht so, daß ich mich nicht hingesetzt habe und mir gesagt habe, jetzt mache ich etwas übers Büro. Ich habe erst an der Figur gearbeitet und dann habe ich eine Geschichte um sie herum gebaut: die Firma, in der sie arbeitet, ihre Nachbarn, ihr Wellensittich, ihre Freundin.

Die Texte machen Sie alle selbst?

Ja. Und ganz alltäglich kommt etwas dazu. In Berlin bin ich an einem Friseursalon vorbeigekommen, der „Frisurenland“ heißt. Da steht draußen an der Tür: „Saure Dauerwelle“. Da habe ich mich gefragt, was ist das und habe mir das drinnen erklären lassen. Das fand ich so wunderbar, daß ich es gleich im Programm ausprobieren mußte.

Die saure Dauerwelle trocknet das Haar wahrscheinlich nicht so aus oder wie?

Ja genau. Die Sache mit dem ph- Wert. Die Dame hat das beschrieben mit dem scharfen „S“, in das die normale, scharfe und alkalische Dauerwelle das einzelne Haar legt, und im Gegensatz dazu das weiche „S“, das die schonende saure Dauerwelle macht. Interview:

Hans-Hermann Kotte

Jutta Wübbes Soloprogramm Marlene Jaschke kommt ist ab Dezember jeden Montag im Hamburger Schmidt-Theater zu sehen, vom 25.12. bis 30.12. en suite.