Franzosen begeistert: Merkel rettete Chirac : Sauerstoff für das neue alte Tandem
PARIS taz ■ Jacques Chirac ist Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einen Handkuss schuldig. Sie hat dem französischen Präsidenten erlaubt, in Brüssel das Gesicht zu wahren und ein weiteres Fiasko für die EU zu vermeiden, für das bestimmt der unbeugsame Interessenvertreter der französischen Landwirtschaftspolitik verantwortlich gemacht worden wäre. Daran zweifelt heute in Frankreich niemand: In allen Kommentaren wird Merkel als „neuer Star der europäische Diplomatie“ gefeiert.
Auch Chirac zeigte sich in seiner Pressekonferenz zum Haushaltskompromiss dankbar: „Sie ist sehr schlau“, sagte er anerkennend. „Die deutsch-französische Verständigung hat von Anfang bis zum Schluss perfekt funktioniert.“ Er hält sich aber nicht lange bei den Komplimenten für seine neue Partnerin auf. Der französische Staatschef, der seit dem Nein der Franzosen zur EU-Verfassung diskreditiert ist, kündigte sogleich „ambitiöse Vorschläge“ für die „Demokratisierung der Institutionen“ der Union an.
In der Presse wird Angela Merkel als Retterin Europas und besonders der französischen Agrarsubventionen gelobt. Merkel habe „in einer Debatte, wo die dicke Luft das Atmen erschwerte, mit ihrem Vorschlag den nötigen Sauerstoff gebracht“, schrieb Le Figaro.
Drei Lehren zog gestern die Sonntagszeitung Journal du Dimanche aus dem Brüsseler Gipfel: „Die nationalen Egoismen haben sich dauerhaft zu Lasten des Solidaritätsprinzips durchgesetzt. […] Zweitens: Tony Blair hat sein Rendezvous mit Europa verpasst. […] Der Unmut einer immer stärker antieuropäischen öffentlichen Meinung wird ihm seinen ‚Verrat‘ am Britenrabatt nicht so schnell vergeben. […] Drittens: Das französisch-deutsche Paar der neuen Art hat gut funktioniert. Nur dank dieses Tandems steht das verfassungslose Europa nicht auch ohne Budget da.“ RUDOLF BALMER