Franz-Josef Strauß: „Ich bin ein Südwester!“

Der bayrische Ministerpräsident im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika zu Gast: Eine Stimmung wie beim Treffen alter Kameraden / Selige Kriegserinnerungen / Botha sagt angeblich Freilassung von 100 Gefangenen zu  ■ Von Hans Brandt

Windhuk (taz) – In Windhuk herrschte am Donnerstagabend Bombenstimmung. Bei einem Empfang des südafrikanischen Generaladministrators Louis Pienaar schäkert Franz-Josef Strauß in der namibischen Haupstadt mit dem südafrikanischen Außenminister Roelof „Pik“ Botha. Strauß als Nachfolger derer, die „Deutsch-Südwestafrika“ 1884 als Kolonie besetzten und der Vertreter der heutigen Besatzungsmacht verstehen sich ausgezeichnet. Kaum eine Stunde vorher hatte eine Bombe das Dach eines Supermarktes beim Militärstützpunkt „Suiderhof“ in die Luft gejagt. Für die Polizei besteht kein Zweifel am Zusammenhang zwischen Bombe und Besuch aus Bayern.

Doch fliegende Dachbalken stören die Stimmung im „Südwesthaus“, dem Sitz des südafrikanischen Verwalters in Namibia, nicht. Man lauscht tuschelnden luftigen Metaphern, in die sich Pienaar in seiner Begrüßungsrede versteigt: „Wir streben eine Synthese zwischen der Politik Südafrikas und den Bedürfnissen dieses Landes an,“ predigt er, und zieht ein unverständlich auf Deutsch gestottertes Bibelzitat zur Untermauerung seiner These heran.

Die Gäste zupfen an ihren Krawattten, treten ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Alles wartet auf FJS. Als der endlich sprechen darf, bringt er sofort wieder Leben ins Haus. „Ich bin ein Südwester!“ ruft er in den Saal. Der Applaus ist ohrenbetäubend. „Mensch, der ist ein toller Mann,“ lacht ein echter, deutschstämmiger Südwester bewundernd neben mir.

„Wir Deutschen haben eine besondere Verbindung mit Südwest,“ belehrt der Bayer seine Zuhörer. „Es ist Teil unseres Erbes, Teil unseres Gefühles.“ Tatsäch lich haben die Reminiszenzen aus dem Leben des CSU-Vorsitzenden, die er auf dieser Reise ständig in seine Reden einflicht, hier eine besondere Bedeutung. Schon mehrmals hat er über die harte Zeit an der russischen Front gesprochen, vor allem über Weihnachten 1942, in einem Stall bei Stalingrad, komplett mit Esel und Rindvieh.

„Hier in Südwest besuche ich immer meinen alten Kameraden, der damals vor Stalingrad mit mir gekämpft hat,“ und er zeigt auf den weißhaarigen Deutschen, der neben ihm steht. „Ich kenne dieses Land,“ betont Strauß. „Es gibt viele sogenannte Experten in Europa, die noch nie Nambia gesehen haben.“ „Bravo!“ rufen die Südwester und klatschen sich die Hände heiß.

Von der warmen Bewunderung vieler Freunde umgeben, beginnt der Minsterpräsident zu philosophieren. Um der Bedrohung des Kommunismus in Namibia zu begegnen, so geht das Argument, muß vor allem eine starke kapitalistische Wirtschaft in diesem Land geschaffen werden. Nicht zufällig wird Strauß von Geschäftsleuten begleitet, nicht zufällig führt er mit vielen Wirtschaftsvertretern Gespräche.

Zum Abschluß überreicht Strauß dem Gastgeber stolz ein Bilderbuch: „Franz-Josef Strauß – der Mann und der Politiker“. Die beiden stecken die Köppfe zusammen und blättern durch das Fotoalbum. „Und da, das bin ich auch.“ Während sie noch plaudern, stimmt der Stalingrad-Kamerad lautstark das „Südwesterlied“ an.

„Und sollte man mich fragen, was hält dich denn hier fest, hier fest – Ich könnte nur sagen, ich liebe Südwest.“ Das Lied aus der deutschen Kolonialzeit, in der Vergangenheit vor allem von angetrunkenen Deutsch-Südwestern am Lagerfeuer gesungen, ist inzwischen zur inoffiziellen Na tionalhymne avanciert. Strauß beteiligt sich am leidenschaftlichen Gesang. Doch Moses Katjiongua, schwarzer Vorsitzender der Interimsregierung, bleibt betreten still. Er, der hier geboren wurde, ist kein „Südwester“.

Helmut Finkeldey, anderer seits, der das Lied angestimmt hatte, kam erst 1950 nach Namibia und ist trotzdem Südwester. „Strauß war Leutnant, mein Zugführer in Stalingrad,“ erzählt Finkeldey. „Ich war Unteroffizier.“ Einen seiner gefährlichsten Einsätze mußte er auf Befehl von Strauß durchführen. „Alleine an einer einsamen Straße habe ich in zehn Minuten zehn russische T34 Panzer abgeschossen,“ sagt er stolz. Zufällig erkannte ihn Strauß 1966 bei seinem ersten Besuch in Namibia. „Er hat mich mit den Augen fixiert und dann zu sich gebeten,“ erzählt der Südwester. „Dann hat er gesagt Kamerad Finkeldey und so haben wir uns wieder getroffen.“

Der Schlangensammler Finkeldey ist in Namibia nicht unbekannt. Wie für viele Deutsche in dieser ehemaligen Kolonie ist der 20. April für ihn ein Feiertag. Doch nicht nur an Hitlers Geburtstag weht auf seiner Farm westlich von Windhuk die Hakenkreuz-Fahne im Wind.

Die Gäste schlürfen ihre Cocktails. Staatssekretär Siegfried Lengl vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit plaudert über seine Schwierigkeiten mit dem Auswärtigen Amt. „Die Leute in den Botschaften berichten Genscher nur, was er hören will,“ sagt er einer blonden Südwesterin, die sich über die bundesdeutsche Namibia-Politik beschwert hat. Genau deshalb, sagt Lengl, gebe es die Hanns-Seidel Stiftung. „Was ich hier in dem Land alles schon an Genscher vorbei aufgebaut habe, mit allen möglichen Tricks.“

Zum Abschluß des Abends stellen Botha und Strauß sich nochmal der Presse. Freundschaftlich fallen sie einander ins Wort, bestärken, was der andere schon gesagt hat. Am nächsten Morgen bekommt Strauß eine schriftliche Antwort zu seinen Fragen nach den politischen Gefangenen in Südafrika. In dem Schreiben von Außenminister Botha sind, so hört man, 121 Einzelfälle aufgeführt. Strauß, der nach Angaben aus seiner Delegation dieses Thema in Südafrika sehr deutlich angsprochen hat, erhalte die Zusicherung, daß etwa 100 Häftlinge freigelassen werden.