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■ Frankreichs Annäherung an die NatoAuftritt von Fall zu Fall

Erstmals seit 1966, als General de Gaulle die Nato- Generale aus ihrem Hauptquartier in Fontainebleau herauskomplimentierte und der Allianz adieu sagte, nahm wieder ein französischer Verteidigungsminister an einem Treffen seiner Nato-Kollegen teil – im andalusischen Sevilla. Die Premiere war von langer Hand vorbereitet worden. Schon im Januar dieses Jahres hatte die französische Regierung erklärt, zwar werde sie auch künftig der integrierten Struktur des Bündnisses fernbleiben, aber von Fall zu Fall an den Sitzungen der Verteidigungsminister bzw. der Stabschefs der Bündnisarmeen teilnehmen. Zuerst in Sarajevo, später in Goražde manifestierte sich dann der Prozeß der Annäherung: neben der amerikanischen Regierung war es vor allem die französische, die nachdrücklich ein Ultimatum gegen die bosnisch-serbischen Belagerer forderte.

Seit der Warschauer Pakt sich auflöste, steckt die Nato in der Identitätskrise. Ihr Feindbild ist dahin, ihre auf dem Ost-West-Gegensatz gegründete atomare Strategie untauglich, die Kommandostruktur obsolet. Zwar mangelt es nicht an Reorganisationsprojekten, an Einsatzplänen gemischter Korps für die Befriedung lokaler, bewaffneter Konflikte in und out of area. Aber die kunstvollen Konstruktionen, mit deren Hilfe die nordatlantische mit der westeuropäischen Bündniskomponente und beide wiederum mit der „Partnerschaft für den Frieden“ versöhnt werden sollten, überzeugen niemanden, nicht einmal ihre Urheber. Ulrich Beck hatte recht, als er kürzlich die Nato dem Reich der wohlvertrauten, aber dabei gänzlich unbekannten Begriffe zuschlug.

Angesichts nagender Zweifel an der Zukunft der Allianz fallen die französischen Vorschläge für eine (west)europäische Verteidigungs„identität“ nicht mehr auf dürren Boden. Auf dem letzten Gipfeltreffen der Nato im Januar 1994 hieß es bereits, man müsse Kapazitäten schaffen, die von der Nato-Struktur „nicht getrennt, aber trennbar“ seien. Es wäre nur logisch, daß solche „trennbaren“ Einheiten ihre eigenen Stäbe und ihr eigenes Kommando unterhielten. Für letzteren Job könnte ein General der Grande Nation bereitstehen.

Nach dem französischen Szenario bliebe die „klassische“ Nato erhalten, ohne Frankreich, dafür aber mit einem Kernbestand amerikanischer Truppen in Europa. Sozusagen als Rückversicherung. Aufgabe der europäischen Streitkräfte wäre es dann, in europäischen Krisengebieten, gestützt durch ein Mandat, zu intervenieren. Die Frage ist nur, wer dieses Mandat erteilt. Die KSZE ist die einzige Institution, die gesamteuropäisch legitimiert ist und für die Erfüllung dieser Aufgabe ausgebaut werden könnte. Aber gerade sie wird auch von Frankreich in Sicherheitsfragen konsequent ignoriert. Christian Semler

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