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"Frankfurter Rundschau" verliert AutarkieIch hab noch einen Mantel in Berlin

Die "Frankfurter Rundschau" verliert alles bis auf ihren guten Namen – und die Regionalteile. In der Redaktion ist man resigniert.

Sieht ihrem Ende als wirklich eigenständiges Blatt entgegen: die "Frankfurter Rundschau". Bild: screenshot/fr-online.de

BERLIN taz | In den letzten Wochen hatte die Geschichte schon leicht absurde Züge angenommen: Nein, die Frankfurter Rundschau (FR) würde keinesfalls mit dem ebenfalls zum DuMont-Konzern gehörenden Schwesterblatt Berliner Zeitung fusioniert, hieß es unisono bei den Entscheidern am Main.

Dass die FR eigenständig und überregional bleiben werde, wurde so überdeutlich betont, dass sich die Zweifel ganz von selbst ergaben: Wie sollte das gehen bei einem Unternehmen, das seinem Kölner Mutterkonzern auch 2010 noch zweistellige Millionenverluste bescherte und dessen Auflage wie Anzeigenumsätze seit Jahren rückläufig sind?

Seit Mittwochabend ist die Katze aus dem Sack: Die FR sieht nun ihrem Ende als wirklich eigenständigem Blatt entgegen. Um das Minus - 2010 noch in der Region von rund 16 Millionen Euro - in den Griff zu bekommen, soll sie de facto ihre überregionale Berichterstattung, den sogenannten Zeitungsmantel, abgeben. Was bleibt, sind die Regionalteile fürs Rhein-Main-Gebiet.

Dazu wird nun offenbar die DuMont-Redaktionsgemeinschaft (ReGe) aufgestockt, die bereits heute weite Teile der Politik- und Wirtschaftsberichterstattung für die FR und die ebenfalls zum Kölner DuMont-Konzern gehörende Berliner Zeitung liefert. DuMont hatte die FR 2006 mehrheitlich übernommen, weiterer Gesellschafter ist die SPD-Presseholding DDVG. Damit ist die Eigenständigkeit der FR künftig eher mal Formsache: Offiziell ist die ReGe zwar nicht die Berliner Zeitung, doch da sie überwiegend in Berlin sitzt und vom Personal der Berliner Zeitung dominiert wird, ist in beiden Häusern klar, wer sich hier durchgesetzt hat.

Am Freitag ab 11 Uhr wird den FR-RedakteurInnen bei einer Betriebsversammlung reiner Wein eingeschenkt. Zu klären bleibt, wie viele von den derzeit rund 130 Festangestellten in der Stammredaktion bleiben, und wie genau die 30 weiteren Journalisten aus der hauseigenen Leiharbeitsfirma Pressedienst Frankfurt (PDF) und die ebenfalls ausgegliederte Produktion betroffen sind. Dass es nun der Redaktion an den Kragen geht, war seit Langem klar, Druckerei und Verlag, hatte FR-Geschäftsführer Karlheinz Kroke schon zuvor erklärt, seien "durchsaniert".

In der Redaktion ist man resigniert, es interessiert auch niemanden mehr wirklich, ob sich nun das Modell "Vorkötter" oder das Modell "Heusinger" durchsetzt. Die nach dem Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, benannte Variante setzt voll auf die Hauptstadtanbindung. Der von der FR kommende stellvertretende ReGe-Chef Robert von Heusinger möchte gern noch einen kleinen, fünf- oder sechsköpfigen Autorenstab exklusiv für die FR behalten. Den Kohl macht das auch nicht mehr fett.

Fraglich bleibt aber, ob auch andere DuMont-Standorte, am Ende auch das sich als Sieger fühlende Berlin, zur FR-Sanierung beitragen müssen. Verlagspatriarch Alfred Neven DuMont setzte bislang eher auf eine mehr oder minder gerechte Verteilung von Lasten, und in Verlagskreisen heißt es sybillinisch, man werde "über eine vernünftige Zeitachse an bestimmten Standorten Arbeitsplätze abbauen".

Wie viele Kündigungen geplant sind, wird erst feststehen, wenn klar ist, ob jemand freiwillig geht. Ab kommender Woche wird verhandelt. Die Gewerkschaft Ver.di erwartet von DuMont wie DDVG, dass sie "ihrer besonderen Verantwortung gerecht werden und zu überdurchschnittlichen sozialverträglichen Lösungen für die FR finden". In Frankfurt drückt man das weniger gestelzt aus: "Ich frag mich, ob ich jetzt nach Berlin muss oder gleich die Abfindung nehme", sagte ein Mitarbeiter.

Die Ausgabe der FR vom Donnerstag hatte übrigens gleich über dem Titelkopf eine höchst prophetische Ansage: "Ein neues Zeitalter beginnt" stand da - bezog sich aber auf die Revolte in Syrien. Dass es in Frankfurt am Main zu größeren Aufständen kommt, wird nicht erwartet.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • P
    Paria

    Die FR hat sich selbst abgeschafft, als aus einer kritischen, linken Zeitung ein tabloidförmiges bunti-bunt Magazin wurde. Zusammen mit dem Zeitungsformat sind damals leider auch die Inhalte verschwunden.

     

    Von einem Tag auf den anderen wurden kritische Hintergrundberichte durch oberflächliche Kurzmeldungen ersetzt und damit hatte die FR alles verloren, was sie mal ausgemacht hat.

     

    Naja, so bin ich dann zur TAZ gekommen...

  • A
    Andreas

    Na ja, zur FAZ: Da gab es doch vor ein paar Monaten eine nette Verarsche der Sendung EXTRA3, die eine fingierte FDP-Pressekonferenz abhielt. Übrigens sehr gut gemacht.

     

    Die FAZ kam dann wieder mit der ewigen Leier von "Gebührenverschwendug"... und ein "billiger und durchsichtiger Trick".

     

    Dummerweise ist aber auch ein Redakteur der FAZ darauf reingefallen, was dezent verschwiegen wurde. Ein Blatt mit so einer Grundeinstellung braucht Deutschland nicht.

  • D
    D-Flss

    Und...heute auf D-Radio gehört - man kann sich als Anzeigenkunde auch im Inhaltsteil einkaufen. Das geht zwar offensichtlich auch im Spiegel (siehe Anti Solarkampagnen) aber wohl nicht als unbekannter Telefonkunde.

  • CK
    Christof Kehr

    Früher habe ich z.B. im Flugzeug rumgemosert, wenn es keine Rundschau gab: "Habt ihr nur konservative Blätter?" Heute lese ich die FAZ, weil es einfach ne gute Zeitung ist. Die Rundschau hat abgebaut und sich an falsche Kampagnen gehängt (Rhein-Main).

    Bei der FAZ sind sie längst nicht mehr die Speichel-lecker der Regier. Das Niveau im Wissenschaftsteil, die Auslandsberichterstattung, die Kultur, das alles ist besser als fast alles andere. Und die wirklich anderen Artikel in der TAZ, die muss man inzwischen auch ganz feste suchen.Klar, liebe TAZ, gut dass es euch gibt, das soll auch so bleiben. Wenn die Rundschau jetzt aber untergeht, dann ist ihre Zeit wohl vorbei.

  • PS
    Powiat Slupski

    Ach, Dr. No: Keine Ahnung ist auch ne Ahnung: "Unflätig über die Linke hergezogen" hat die FR bestimmt nicht. Und noch immer ist sie links genug, um Affären wie Guttenberg, Odenwald-Schule oder die Drangsalierungen hessischer Steuerprüfer zu thematisieren. Die Rundschau ist heute vielleicht besser denn je. Noch. Und die Kunden sind nicht weggelaufen, sondern die Anzeigen sind weggeblieben und ins Netz abgewandert.

  • JP
    Joachim Petrick

    Die FR habe ich, für mich komischer Weise, nicht in Westberlin, sondern erst durch meine Schwester im Pädagogik Studium ab 1972 zu Besuch in Hamburg als Begleitorchester des Willy Brandt Slogan

    "Wir wollen mehr Demokratie wagen"

    entdeckt, aber nie selber abonniert.

     

    Ausgerissene Artikel der FR habe ich jahrzehntelang bei allerlei Gelegenheit in Studentenkneipen, Privatbesuchen, Hinterlassenschaften, ausreißend abstaubend, gehütet, als wären diese pures Gold, bis die so vergilbt goldig angehaucht muffig rochen, dass ich diese Epoche, , nachdem alles an gehorteten FR- Artikeln mit unterstrichenen Zeilen, Absätzen feierlich eingeäschert war, noch Heute mein

    "güldenes FR- Zeitalter" nenne.

  • P
    peterundpaul

    Es ist wohl das Problem vieler ehemals linker oder linksliberaler Zeitungen. Einen Teil ihrer Leser können sie zunächst vielleicht umkrempeln und mitnehmen auf dem Weg in die rechte Mitte, gepflaster mit ökonomischen Scheineinsichten. Doch es bleiben immer mehr Leser zurück und am Ende stehen sie alleine da. Ist das Vertrauen einmal dahin, ist es für diese Zeitungen zu spät. Ich hoffe inständig, dass Spiegel und Zeit nicht nur das selbe Schicksal erleiden werden, sondern dass diese Blätter sogar als Name und Marke verschwinden.

  • DN
    Dr. No

    Ich war einige Jahre treuer Leser der Frankfurter Rundschau. Dann fingen sie an, in unflätiger Weise über die Linke her zu ziehen. Als sie dann irgendwann titelte: "Keine Lust auf Lafontaine" haben wir das Abo gekündigt - Mit der Anmerkung: "Keine Lust auf Rundschau." Die FR war mal eine linke Zeitung. Wer seine eigenen Kunden verärgert, dem laufen sie weg. Das ist das Grundgesetz des Kapitalismus. Die Rundschau ist überflüssig. Nur die Kolumne von Meli Kiyak war gut.

     

    Regionalteil? Den Darmstadt-Teil beziehen sie ohnehin vom Darmstädter Echo - und setzen nur ihre eigenen Überschriften hinzu.