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Forsa-Chef über die Liberalen"Zu kleine Stichprobe"

Die FDP wird beim Meinungsforschungsinstitut Forsa in mehreren Erhebungen nicht mehr ausgewiesen. Der Forsa-Chef erklärt, warum das so sein muss.

Die Liberalen hätten eventuell doch noch eine Chance zu wachsen. Bild: dpa
Interview von Anna Frenyo

taz: Herr Koschnicke, die FDP ist eine Regierungspartei - wie kann es sein, dass sie in den Erhebungen der Meinungsforschungsinstitute nicht mehr auftaucht?

Joachim Koschnicke: In unserer wöchentlich veröffentlichten Wahlabsicht für den Stern und RTL weisen wir natürlich die FDP aus. Sie kommt allerdings, wie wir alle wissen, seit vielen Monaten nur noch auf geringe Werte. Genau dies bereitet uns Probleme, wenn es darum geht, jenseits der Wahlabsicht auch politische Einstellungen nach Parteianhängerschaften auszuweisen.

Die Aussage "50 Prozent der FDP-Anhänger sind für den Verbleib von Christian Wulff im Amt" würde eine Genauigkeit suggerieren, die es bei einer Stichprobe von 1.000 Befragten, worunter vielleicht gerade mal 20 FDP-Anhänger sind, nicht gibt. Es gebietet also der wissenschaftliche Anspruch, in solchen Fällen die FDP-Anhänger nicht mehr auszuweisen.

Hat sich jemand von der FDP schon beschwert?

Nein. Ich denke, dass die FDP-Führung weiß, dass es an ihr liegt, den Wiederaufstieg zu schaffen. Forsa ist außerdem unabhängig und unbestechlich. Wir sind eher der Notar der Bürger. Wir weisen aus, was uns die Bürger sagen, und stehen dafür gerade, dass die Ergebnisse wissenschaftlich sauber aufbereitet und analysiert werden.

Der Interviewte

JOACHIM KOSCHNICKE ist Geschäftsführer der forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH.

Wo ist das FDP-Klientel hingezogen? Haben die Grünen jetzt ihren Platz als "neue FDP" gefunden?

Die Union profitiert von der Schwäche der FDP, da die allermeisten ehemaligen FDP-Wähler zur Union gewandert sind. Daneben sind sehr viel mehr ehemalige FDP-Wähler auf dem überfüllten Parkplatz der Nichtwähler und Unentschlossenen als bei der SPD, den Grünen oder den Piraten. Die Wähler von FDP und Grünen unterscheiden sich schon.

Die Wähler der Grünen sind elitärer – sie haben ein höheres Haushaltseinkommen als die Wähler der FDP. Und es gibt einen kulturellen Unterschied: Salopp gesagt, haben früher diejenigen FDP gewählt, die an den Aufstieg in Eigenregie geglaubt haben. Die Wähler der Grünen glauben an eine bessere Gesellschaft bei Wahrung ihrer persönlichen Verhältnisse.

Die FDP ist schon oft totgesagt worden. Diesmal zurecht?

Das alte Sprichwort "Vertrauen wird zu Fuß erarbeitet und verschwindet auf dem Pferd" zeigt die Größe der Aufgabe für die FDP. Daraus aber abzuleiten, dass es an der Zeit ist, Grablichter für die FDP zu kaufen, ist falsch. Zur Mitte der Legislatur im Bund kann kein Mensch seriös sagen, ob die FDP die Wende schafft oder nicht.

Wird die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde bei der nächsten Bundestagswahl scheitern?

Die FDP hat das Potential, über fünf Prozent zu kommen – im Bund wie in den Ländern. Ob ihr das gelingt, weiß ich nicht. Mit Selbstmitleid und Personaldebatten jedenfalls nicht. Das Augenmerk müsste auf die Interessen der Anhänger gerichtet werden, verlorenes Vertrauen müsste wieder aufgebaut, neue Relevanz und kulturelle Anschlussfähigkeit erarbeitet werden.

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12 Kommentare

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  • S
    Schade

    Einzig um Frau Ministerin L.-Schnarrenberger ist's schad drum, wenn sie nun, wegen der Männerrunde in der FDP, nicht mehr Justizminisrerin sein sollte.

  • W
    Waage

    Wenn das Elend nur schon zu Ende wär!

  • I
    Ika

    Celsus wir brauchen eine Like-Funktion in taz Kommentaren

  • V
    vic

    Ich spendier ein Grablicht.

    Ich werd sie nicht vermissen.

  • H
    Hanna

    Wie man es sieht, hat der Autor die Fragen gut aufgedeckt , aber es ist besser noch einmal beim hahaped klarzustellen.

  • C
    Celsus

    Da musste ich lachen beim Anblick der Werbung, dass Wachstum gesund sei. Wer jedes Jahr mehr Orangen verkauft, braucht Käufer, die jedes Jahr mehr essen. Und Wachstum brauchen dann auch die Verkäufer von Brot und Aufstrichen, ... Die Deutschen müssten bald gigantische Mengen verschlingen, um ein fortschreitendes Wachstum im Lebensmittelbereich zu ermöglichen.

     

    Genau da zeigt die Werbung dem Nachdenklichen, wie ungesund diese Wachstumsphilosophie ist und welche Katastrophen sie nach sich ziehen kann. Lehman Brothers in den USA ist da nur ein Beispiel für die natürlichen Grenzen des Wachstums.

  • K
    KlausK

    Wachstum? Für die FDP? Lieber nicht!

  • K
    Krankheitsverlauf

    Also bei Viren ist das so: wenn die Virenlast unter die Nachweisgrenze gesunken ist, lebt es sich in der Regel einigermaßen beschwerdefrei. Verhält sich ja vielleicht bei Deutschland und der FDP ebenso?

  • A
    Arne

    Interessantes Interview.

    Nun bitte auch noch so formatieren, dass die Fragen/Antworten erkennbar sind.

    Danke

  • WD
    Walther Döring

    "Forsa ist außerdem unabhängig und unbestechlich."

     

    Ha Ha Ha, der ist gut.

     

    Die Auftraggeber sind "Stern" und "RTL". Was soll man da noch sagen.

     

    Mir fehlt in der ganzen Wahlbetrachtung eine Gruppe, die mittlerweile größer als alle anderen Gruppen zusammen ist. Das ist die Gruppe der Nichtwähler. Die sollte man mal fragen.

     

    Ach das geht nicht? Warum? Ah, der Auftraggeber hat gesagt, dass ...

  • S
    stuss

    Ist schon richtig,dass Wachstum gesund ist. Aber nur für die "Gesunden". Wachstum hilft nur denen, die schon "groß genug" sind. Bisher sieht es aber so aus, dass Wachstum auch Armut schafft. Wachstum für wen; vielleicht für Zeitarbeiter und Aufstocker?

  • D
    DAMerrick

    "Das Augenmerk müsste auf die Interessen der Anhänger gerichtet werden, verlorenes Vertrauen müsste wieder aufgebaut, neue Relevanz und kulturelle Anschlussfähigkeit erarbeitet werden."

     

    Warum sagt Forsa nicht einfach "Wenn sie wollte könnte sie, aber da die FDP nicht will wird es nichts mit der Wende."

     

    Wie wir wissen hatte die FDP nie die INteressen der großen Wählerschaft vor Augen. Es war immer leicht das zu glauben, kaum nach der Wahl in die Regierung hat die FDP gezeigt das sie für wenige Klientel spricht. Und sich selbst.