Forsa-Chef über Hessen-Wahlkampf: "Kochs Strategie ist riskant"
Die Wähler merken, dass Koch nur über Jugendgewalt redet, weil er um sein Amt fürchtet, sagt Forsa-Chef Güllner.
taz: Herr Güllner, nutzt die Debatte über Jugendgewalt Roland Koch?
Manfred Güllner: Es war - aus seiner Sicht - sicher richtig, die Diskussion anzustoßen. Koch ist kein Sympathieträger wie Christian Wulff in Niedersachsen, auch mit seiner landespolitischen Bilanz kann er nicht punkten. Beim wichtigsten Thema, der Bildungspolitik, steht Hessen eher schlecht da. Insofern brauchte Koch ein Feindbild, das die Stammwähler der CDU mobilisiert. Das hat er gefunden, damit lenkt er von seiner landespolitischen Schwäche ab.
Schreckt er nicht gleichzeitig liberale CDU-Wähler ab?
Diese Frage können wir im Moment nicht endgültig beantworten. Sicher ist: Hessens CDU ist sehr konservativ geprägt. Und die Furcht vor prügelnden Jugendlichen, damit verbunden die Sorge um die eigenen Kinder, bewegt Menschen in allen Wählerschichten. Vor allem aber ältere Menschen haben Angst, und auf die zielt Koch mit der Debatte am ehesten. Aber natürlich: Seine Strategie ist riskant.
Warum?
Weil die Wähler genau merken, dass Ministerpräsident Koch über kriminelle Ausländer diskutieren will, weil er um sein Amt fürchtet. Sein Beweggrund ist zu offensichtlich. Selbst seine eigene Partei trägt seinen Vorschlag, gewalttätige Kinder ins Gefängnis zu stecken, nicht mit. Und Hessen ist bei der inneren Sicherheit alles andere als ein Vorzeigebundesland. All dies kann sich in seinem Wahlergebnis bemerkbar machen.
Dennoch: Im Jahr 1999 hat Koch schon mal mit dem Wecken von Ressentiments gewonnen - durch seine Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft.
Damals lag Koch in allen Umfragen bis kurz vor der Wahl hinten. Das Forsa-Institut, das muss ich zu meiner Schande gestehen, prognostizierte sogar am Wahlabend einen knappen Sieg für Rot-Grün. Koch hat trotzdem gewonnen.
Also ist dieses Mal alles ähnlich offen?
Ja. Wie sich die Jugendgewaltdebatte auswirkt, werden wir erst am 27. Januar wissen. Ich würde im Moment nicht allzu viel auf die Umfragen geben, auch wenn ich da gegen meine eigene Zunft rede.
INTERVIEW: ULRICH SCHULTE
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