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Archiv-Artikel

Folterdrohung aus höheren Motiven

„Ein mildes Urteil kann es nur geben, wenn ein Täter einsichtig ist und Reue zeigt.“ Dieser erste Satz legt für mich bereits eine Rechtsauffassung dar, der es offenbar weniger um tatsächlich gebrochenes Recht oder womöglich sogar Gerechtigkeit geht, sondern mehr um befindlich gut gemeintes Reuegequatsche, mit dem aber noch nie irgendeinem Menschen in der Praxis tatsächlich geholfen worden ist. Weder Jakob von Metzler ließe sich dadurch wieder zum Leben erwecken noch die teilweise brutale Abschiebepraxis deutscher Behörden beeinflussen. Misshandlungen von staatlicher Seite, teilweise mit Todesfolge, finden nachweislich trotz eines grundsätzlichen Folterverbots auch in Deutschland statt.

Wenn es in diesem konkreten Fall aber einen Täter gibt, dann handelt es sich dabei eindeutig um Magnus Gäffgen. Weder hat Herr Daschner einen Untergebenen zu einer Straftat angeleitet, noch halte ich Herrn Rath angesichts der moralischen Kloake, die sich hier bei genauerem Hinriechen auftut, für befähigt, irgendeine plakative Forderung zum möglichen Strafmaß zu erheben.

Der Polizeichef hatte keine niederen Motive, und die Androhung, Magnus Gäffgen „erhebliche Schmerzen“ zuzufügen, wurde nicht umgesetzt. Wolfgang Daschner musste abwägen, ob er lieber den möglichen qualvollen Erstickungstod des entführten Elfjährigen in Kauf nehmen wollte oder einen rechtlich sehr fragwürdigen Versuch – der ihn seine Stellung kosten würde, wovon er dabei bereits auszugehen hatte – unternehmen sollte, um Magnus Gäffgen zur Preisgabe des Verstecks zu zwingen. SASCHA NOLLER, Berlin