Flutkatastrophe in Thailand: Hamsterkäufe und Streitigkeiten
Thailand kämpft mit den schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Die Regierung zeigt sich überfordert – und zankt sich mit der Opposition.
![](https://taz.de/picture/244560/14/thailand_flood.jpg)
BANGKOK taz | Vor den Häusern direkt am Khlong Prapa im Distrikt Bang Sue am nordwestlichen Rand von Bangkok ist noch alles nass. Hier sei das Wasser am Samstagmorgen über die Kanalmauern gestiegen, sagt eine Anwohnerin: "Alles war überschwemmt". Noch am Nachmittag waren die Menschen damit beschäftigt, Schlamm und Dreck wegzuräumen. Und sie wissen: Die Flut kann jederzeit wiederkommen. Die Pegel des Flusses Chao Phraya, der mitten durch Bangkok fließt, bleiben an etlichen Stellen gefährlich hoch.
Während die inneren Bezirke der Hauptstadt bisher weitgehend trocken blieben, herrscht vor allem in den Vororten und benachbarten Provinzen Bangkoks "Land unter". Mit am schwersten betroffen sind die Provinzen Pathum Thani, Ayutthaya und Nonthaburi. Der Distrikt Bang Bua Thong sei fast zu 100 Prozent überflutet, so Nonthaburis Gouverneur Wichian Phuttiwinyu.
Rund um die Uhr versuchen Einsatzkräfte und Militärs, tausende in ihren Häusern eingeschlossene Bewohner per Boot zu retten. Doch das Ganze geht nur mühsam voran, weil es nicht genug Boote gibt. Klar ist: Diese Flutkatastrophe, durch die schon mindestens 350 Menschen starben, gilt als die schlimmste seit 50 Jahren. Und Thailand kann sie nicht allein bewältigen.
Bangkok öffnet die Schleusen
Das musste denn auch die Regierung unter Premierministerin Yingluck Shinawatra einräumen – und gab damit mehr oder weniger zu, beim Krisenmanagement versagt zu haben. Letztlich rief Yingluck, sichtlich emotionalisiert, die Einwohner des rund Zwölf-Millionen-Molochs Bangkok dazu auf, ihre Habe in Sicherheit zu bringen und sich auf Evakuierungen einzustellen.
Zuvor hatte die Regierungschefin angeordnet, die Schleusen nahe Bangkok zu öffnen. Damit wollte man erreichen, dass sich die Wassermassen nicht weiter stauen, sondern auf kontrollierte Weise durch die Hauptstadt fließen. Bisher funktioniert das nur bedingt: Mehrere Straßenzüge in verschiedenen Distrikten wurden bereits überflutet.
Den offiziellen Beteuerungen, dass zumindest die Hauptstadt sicher sei, glaubte ohnehin kaum jemand. Nicht umsonst decken sich die Menschen weiterhin mit Trinkwasser, Reis und Inststandnudeln ein. Misstrauen und Frust spiegeln sich demnach auch in einer aktuellen Umfrage wider: Dort hatten 87 Prozent der Befragten erklärt, sie trauten den Angaben des von der Regierung etablierten "Flood Relief Operations Center" (FROC) nicht.
Profilierung durch Kritik
Yingluck, die bei den Wahlen von Anfang Juli mit einem Erdrutschsieg an die Macht kam, verliert in dieser Krise mehr und mehr an Beliebtheit. Der einstigen Geschäftsfrau, die zuvor keinerlei politische Erfahrung hatte, wird vor allem Führungsschwäche vorgeworfen.
Die massive Kritik am Krisenmanagement der Regierung versuchte indes Bangkoks Gouverneur Sukhumbhand Paribatra für sich zu nutzen. Sukhumbhand, ein Angehöriger der Opposition, hatte zwischenzeitlich erklärt, die Bewohner Bangkoks sollten ausschließlich auf ihn hören.
Das brachte ihm einen Rüffel der beiden großen englischsprachigen Tageszeitungen in Thailand ein, die ansonsten eher dafür bekannt sind, an der jetzigen Regierung kein gutes Haar zu lassen. Ein Kommentator merkte süffisant an, Bangkok sei nicht Sukhumbhands persönliches Spielzeug. Politisches Gezänk aber sei das Letzte, was Thailand momentan gebrauchen könne, monieren die Kritiker.
Notstand kommt nicht in Frage
Oppositionsführer Abhisit Vejjajiva, der im Juli haushoch gegen Yingluck verloren hatte, forderte die Regierung gar auf, den Notstand zu verhängen. Dieser würde der Armee weitreichende Kompetenzen verleihen, die Flutkatastrophe effektiver zu bekämpfen, so die Begründung.
Das aber kommt für die Premierministerin bislang nicht in Frage: Schließlich war es das Militär, das Yinglucks Bruder Thaksin 2006 aus dem Amt geputscht hatte. Und zwischen ihrer Regierung und der Armee herrscht ohnehin ein eher brüchiger Burgfriede.
Führungsschwäche aber mochte sich Yingluck dennoch nicht länger nachsagen lassen: Am Freitag aktivierte sie ein Gesetz, welches ihr Oberhoheit über den nationalen Katastrophenschutz sichert und Bangkoks Gouverneur Sukhumbhand zur Randfigur verdammt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird