Flughafen Tempelhof: Klage gegen Umbenannt
Um das Volksbegehren gegen den Flughafen Tempelhof platt zu machen, widmet der Senat den Landeplatz einfach um. Das ist verfassungswidrig, sagt Rechtswissenschaftler Matthias Rossi.
Die Starterlaubnis konnte der Senat dem Volksbegehren gegen die Schließung des Flughafens Tempelhof nicht entziehen. Deshalb versucht er es mit der Landebahn. Durch die Entwidmung des Großgeländes wäre dieses kein Flughafen mehr, der Protest gegen die Schließung einer Institution, die es nicht mehr gibt, eine Luftnummer. Den Gegenstand eines Volksbegehrens durch eine Entwidmung aufzuheben, während es in vollem Gange ist, sei jedoch "verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig", sagte am Dienstag der Verfassungsrechtler Matthias Rossi.
Auch gegenüber dem "Volksgesetzgeber", also den Unterstützern des Volksbegehrens, gelte der Grundsatz "loyaler Zusammenarbeit und Rücksichtnahme", so Rossi, den die die Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (ICAT) mit einem Rechtsgutachten beauftragt hatte. Daraus resultiere eine "prinzipielle Stillhaltepflicht der staatlichen Organe während der Dauer eines Volksbegehrens". Zu deutsch: Der Senat darf keine neuen Fakten schaffen, solange über die alten in einem demokratischen Verfahren verhandelt wird. Genau das hat er allerdings im Juni mit der Entwidmung getan. Dagegen läuft zur Zeit eine Klage der Fluggesellschaften und der ICAT.
Die Situation ist ungefähr folgende: Die Mama (Senat) sagt dem Papa (ICAT), dass er ab nächstem Jahr sein Auto (Flugzeug) nicht mehr in der Garage (Tempelhof) parken darf, weil woanders eine Tiefgarage gebaut wird (Schönefeld). Papa beschwert sich vergeblich und sammelt Unterstützung gegen das Garagenparkverbot beim Rest der Familie (Volksbegehren). Da sagt Mama plötzlich, es gebe gar keine Garage mehr (Entwidmung). Die sei nämlich ab sofort ein Hobbyraum, in dem Autos nichts zu suchen haben. Papa regt sich doppelt auf: weil er die schöne Garage nicht mehr benutzen darf und weil er umsonst Stimmen gesammelt hat. Für eine Garage, die keine mehr ist.
Das Urteil in dem Verfahren wegen der Entwidmung wird 2008 erwartet. Weist das Gericht die Klage ab, "ist das Volksbegehren gestorben", sagt Rossi. Stimmt es der Klage zu, ändert sich an der Schließung vermutlich trotzdem nichts. Bis zum 14. Februar 2008 haben die Initiatoren Zeit, 170.000 Unterschriften zu sammeln. Erst dann kommt es zu einem Volksentscheid. Doch selbst wenn diesen die erforderlichen 600.000 Menschen unterstützen, ist der Senat nicht an den Entscheid gebunden. Denn damit hat das Volk nur entschieden, den Senat aufzufordern "die Schließung sofort aufzugeben".
Mit dem Volksentscheid wird nämlich nicht abgestimmt über Schließung oder Nichtschließung, sondern über den Appell, der Senat möge sich seine Entscheidung nochmal überlegen. Der Unterschied dieses gegenüber anderen Volksbegehren besteht darin, dass nicht ein Gesetz, sondern ein sogenannter "sonstiger Beschluss" eingebracht wird. Während ein Gesetz aufgrund eines Volksentscheids umgesetzt werden muss, ist ein politischer Beschluss nicht für den Senat verbindlich.
Für Körting und Co. heißt das, dass sie zumindest so tun müssen, als hätten sie die Argumente der Tempelhof-Befürworter ernsthaft gegen ihre eigenen Argumente abgewogen. Unterlassen sie das, widerspräche dies nach Auffassung von Rossi der Verfassung, die im vergangenen Jahr der direktdemokratischen Mitbestimmung größeren Raum schuf. Der ICAT-Vorsitzende Peter spricht gegenüber der taz den Senatoren eine Drohung aus: "Wenn sie die Schulter zucken und sagen, das ist uns egal, dann werden wir klagen." Ob vor dem Landes- oder dem Bundesverfassungsgericht, weiß er noch nicht.
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