Flüchtlingspolitik: Anwälte stören bei Abschiebung
Um eine Armenierin schnell abschieben zu können, bat die Ausländerbehörde den Haftrichter um Stillschweigen gegenüber den Anwälten. Dies ist wohl kein Einzelfall.
Abschiebung? Kein Problem für die Ausländerbehörde. Das einzige Hindernis sind die Anwälte der Betroffenen. Doch wenn man die raushält, läuft alles wie geschmiert. Auch die 46-jährige Armenierin Silwia S. ist so am Donnerstag schnell und geräuschlos außer Landes geschafft worden. Ihre Rechtsanwältin, der Flüchtlingsrat und die Grünen sprechen von einem Skandal. Möglicherweise handelt es sich nicht nur um einen Einzelfall. Die Sprecherin der Innenverwaltung, Nicola Rothermel, versprach, der Sache nachzugehen.
"Wir haben schon länger den Eindruck, dass die Ausländerbehörde die Anwälte eher als störend empfindet", sagte Jens-Uwe Thomas, Sprecher des Flüchtlingsrats. "Jetzt haben wir es zum ersten Mal schwarz auf weiß". Der Vermerk, um den es geht, datiert vom 11. Januar. Zum Zwecke der Abschiebung werde für die Armenierin Silwia S. Sicherungshaft beantragt, schreibt die Ausländerbehörde an das Amtsgericht Schöneberg, das im Abschiebeknast Köpenick über die Haftanträge entscheidet. In dem Schreiben weist die Ausländerbehörde darauf hin, dass bei Silwia S. "trotz intensiver Gespräche keine Ausreisebereitschaft erkennbar war". Dann folgt der entscheidende Satz: "Ich bitte Sie, von der Benachrichtigung der Verfahrensbevollmächtigten abzusehen, weil sonst die Maßnahme gefährdet ist."
Verfahrensbevollmächtigte in diesem Fall ist die Rechtsanwältin Katja Ponert. Sie hat die Armenierin in dem Asylverfahren vertreten. Das Behandlungszentrum für Folteropfer hat ihrer Mandantin attestiert, an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden. Trotzdem wies das Verwaltungsgericht die Klage zurück.
Am Dienstag wurde Silwia S. zum Zweck der Abschiebung festgenommen. Nur weil das Heim, in dem sie bis dahin wohnte, sofort eine Ärztin des Behandlungszentrums für Folteropfer informierte, die wiederum die Anwältin benachrichtigte, erfuhr Katja Ponert davon. Sie eilte in den Abschiebeknast, wo gerade die Anhörung der Armenierin stattfand. Aber um das Steuer rumzureißen, war es zu spät. Genau das habe die Ausländerbehörde mit der Bitte um Stillschweigen beabsichtigt, ist die Anwältin überzeugt.
Aus der Bemerkung eines Richters glaubt Ponert herausgehört zu haben, dass so etwas häufiger vorkomme. Sie will sich nun genauer umhören. Der grüne Abgeordnete Benedikt Lux kündigte an, den Fall im Innenausschuss anzusprechen. "Ich will wissen, wie oft das schon passiert ist".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!