: Flüchtlinge im Hungerstreik
Im südpazifischen Nauru protestieren von Australien abgelehnte Asylbewerber mit einem Hungerstreik gegen ihre geplante Abschiebung nach Afghanistan
MELBOURNE taz ■ 35 von Australien nach Nauru verfrachtete Asylbewerber sind seit dem 12. Dezember in einem Hungerstreik. Damit protestieren sie gegen Pläne der Regierung in Canberra, sie in ihre Heimat Afghanistan abzuschieben. Vier nähten sich die Lippen zu. 19 Flüchtlige verloren zeitweilig das Bewusstsein und mussten in ein Krankenhaus gebracht werden.
Der Hungerstreik droht sich unter den 264 internierten Flüchtlingen, darunter 93 Kinder, auszuweiten. Frauen und Kinder wollten sich als Nächstes anschließen, warnte die Lagerleitung. „Freiheit oder Tod“ rufen die so genannten Bootsflüchtlinge. Sie hatten versucht, übers Meer nach Australien zu gelangen. Die meist gebürtigen Afghanen behaupten, sie seien auf Nauru zum Christentum konvertiert und würden allein schon deshalb bei der Rückkehr in ihre islamische Heimat verfolgt.
Laut dem australischen Parlamentsabgeordneten Peter Andren seien zwischen sieben und zehn Asylbewerber getötet worden, nachdem sie von Nauru nach Afghanistan deportiert worden waren. Einwanderungsministerin Amanda Vanstone musste inzwischen zusagen, Informationen über den Verbleib Abgeschobener einzuholen.
Ihre Regierung wertet den Hungerstreik als Erpressungsversuch, durch den abgelehnte Asylbewerber einen Aufenthalt in Australien erzwingen wollten. Vanstone sagte, die Flüchtlinge könnten ja nach Hause fahren, wenn es ihnen in Nauru nicht gefällt. Canberra sei nicht verantwortlich, da das Lager von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geleitet werde und nicht in Australien sei.
Ein Sprecher des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) appellierte an Australien, die Krise auf humanitäre Art beizulegen. Widerwillig schickte Vanstone schließlich eine Delegation unter Leitung von Exeinwanderungsminister John Hodges nach Nauru. Die Delegation, der auch der afghanische Botschafter in Canberra angehörte, sollte die Flüchtlinge von einer Rückführung nach Afghanistan überzeugen. Doch dies gelang nicht. Vielmehr forderte der afghanische Botschafter jetzt Australien auf, die Flüchtlinge vorübergehend aufzunehmen, statt mit ihrer Abschiebung die Lage in Afghanistan zu verschärfen. Auch das UNHCR rät von einer Abschiebung ab. In Afghanistan sei die Lage noch zu unsicher.
In Australien wächst der Druck auf die konservative Regierung, das Lager auf Nauru zu schließen. Es gehört zur so genannten pazifischen Lösung, demnach über Aslyanträge von Bootsflüchtlingen nicht auf australischem Boden entschieden werden soll. Viele der in Nauru Internierten waren im August 2001 von dem norwegischen Frachter „Tampa“ gerettet worden, nachdem ihr indonesischer Kutter mit über 400 Flüchtlingen gesunken war. Canberra verhinderte, dass die „Tampa“ die Geretteten auf australischen Boden brachte. Stattdessen bezahlte die australische Regierung das von ihr abhängige Nauru für die Unterbringung der Flüchtlinge. Ein weiteres Lager wurde in Papua Neuguinea eingerichtet. Es wurde im vergangenen Juli geschlossen. Viele der von der „Tampa“ geretteten Flüchtlinge wurden inzwischen von Neuseeland und Australien aufgenommen.
Das winzige Südseeatoll Nauru, von 1888 bis 1914 deutsche Kolonie, ist kein Paradies. Die bankrotte Koralleninsel mit vulkanischem Kern gleicht nach dem Abbau einst reicher Phosphatvorkommen einer Mondlandschaft und bietet heute nicht einmal seinen 11.800 Einwohnern annehmbare Lebensverhältnisse. Lebensmittel und Trinkwasser müssen importiert werden. Zudem gefährdet der durch die Klimaerwärmung steigende Meerwasserspiegel das Atoll. Kürzlich überwies Australien 1,2 Millionen australische Dollar (über 700.000 Euro), damit Naurus Beamte zu Weihnachten ihre Gehälter bekommen. In Australien wird gar diskutiert, ob Naurus Bürger bald aufgenommen werden und die australische Staatsangehörigkeit erhalten sollten. BORIS B. BEHRSING