Flucht aus Kamerun: Erst aufgenommen, dann ausgewiesen
■ In anderen Staaten Afrikas sind Kameruns Studenten nicht immer wohlgelitten
Senfo Tonkam ist nicht der einzige kamerunische Student, der aufgrund des repressiven Klimas in seinem Land ins Exil gegangen ist. Insgesamt 35 Angehörige der Universität von Jaunde – allesamt Aktivisten in der oppositionellen „Nationalen Koordination der Kamerunischen Studenten“, die sich in einem „Studentenparlament“ konstituiert hat – sind wegen „störender Aktivitäten“ entlassen worden. Sie werden von den Sicherheitsbehörden gesucht und leben entweder in Kamerun im Untergrund oder in anderen afrikanischen Staaten im Exil, mit dem Ziel, ihr Studium in ruhigeren Verhältnissen zu Ende führen zu können.
Zu ihnen gehört beispielsweise Nene Fadimatou, „Exekutivsekretärin“ des Studentenparlamentes. Nach einer Drohung, das Haus ihrer Familie anzuzünden, zog die herzkranke Geschichtsstudentin aus dem Universitätsgelände aus; einige Monate später gelang ihr mit einigen anderen die Reise in das westafrikanische Burkina Faso, wo sie zunächst von der Menschenrechtsorganisation „Cap-Liberté“ aufgenommen wurde. Nach eigenen Angaben wurden die Neuankömmlinge im September von den Behörden ausgewiesen.
In einer Stellungnahme des Studentenparlamentes heißt es: „Obwohl einige von ihnen sehr krank waren, wurden sie auf brutale Weise über die Grenze geschickt, ohne Geld, nachdem ihr persönliches Eigentum zum Teil beschlagnahmt wurde. Sie wurden in kleine Gruppen aufgeteilt und in verschiedene Richtungen geschickt.“ Nene Fadimatou reiste zunächst in die Elfenbeinküste und später nach Benin.
Ebenfalls in Benin, wie inzwischen die meisten der Exilstudenten, befindet sich Claude-Roger Youdom, Doktorand der Physik, der am 9. Februar bei der Verteilung von Flugblättern auf dem Universitätsgelände verhaftet und in einem Polizeikommissariat schwer mißhandelt wurde. Im März wurde der diplomierte Physiker wegen „nichtkonformer Handlungen“ vom Doktorstudium ausgeschlossen, später zog er ebenfalls aus dem Universitätsgelände weg und wurde von der Universität verwiesen. Auch ihm gelang die Flucht nach Burkina Faso, von wo er jedoch ebenfalls ausgewiesen wurde.
Mehrere andere Studenten sollen sich seit Monaten in Polizeihaft mit häufigem Ortswechsel befinden, so daß sie inzwischen als Verschwundene gelten. Die Universitäten sind ein Zentrum oppositioneller Aktivität in Kamerun, seit 1990 die ersten, noch illegalen politischen Parteien gegründet wurden und sich der Widerstand gegen die Diktatur des Präsidenten Paul Biya formierte. Die Kampagne zivilen Ungehorsams, mit der die demokratische Opposition im Sommer 1991 große Teile Kameruns lahmlegte, ging häufig von Studenten aus.
Inzwischen hat sich Präsident Biya einen demokratischen Anstrich gegeben, indem er Wahlen abhalten ließ. Bei der Präsidentschaftswahl vom 11. Oktober 1992 erzielte er aber selbst nach der Auszählung der Regierung nur eine relative Mehrheit von 39 Prozent; die Auszählung der Opposition, von US-Wahlbeobachtern bestätigt, ergab sogar einen Sieg des Oppositionskandidaten John Fru Ndi von der „Sozialdemokratischen Front“ (SDF).
Die Praktiken der Regierung haben sich offensichtlich nicht im Sinne der Menschenrechte verbessert – der Hausarrest, unter dem Fru Ndi monatelang nach seinem Wahlsieg leben mußte, die andauernden Verhaftungen von SDF-Aktivisten und die von den Studenten geschilderten Erlebnisse belegen es. Auch die tiefe Wirtschaftskrise, die die Unzufriedenheit der Bevölkerung anheizt, nimmt kein Ende. Eine IWF-Mission reiste im September entnervt aus Kamerun ab, da nicht die geringsten Fortschritte bei der Sanierung der als korrupt berüchtigten Wirtschaft zu konstatieren gewesen seien. Am 10. September gingen in Jaunde erstmals Soldaten auf die Straße, um gegen das Ausbleiben ihres Soldes zu demonstrieren; viele Staatsbeamte bekommen seit Monaten keine Gehälter mehr, und das neue Schuljahr hat mangels bezahlbarer Lehrer und aus Furcht vor neuen Unruhen noch nicht begonnen. Dominic Johnson
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