Flohmarkt : Werte und Preise
Am Sonntag gehen wir auf den Flohmarkt, wie sieben Millionen andere Leute in Berlin. Wir kaufen eine Zange, zwei Silbertabletts und eine CD von einer englischen Folkband. Gute Beute. Dreizehn Euro fünfzig, insgesamt.
Ich mag es, mir auszurechnen, wie viel ich ohne Handeln ausgegeben hätte. Genau dreißig Euro. Sehr gut. Also ohne Flohmarkt hätte ich natürlich null Euro ausgegeben, und das wär noch mal entschieden weniger, aber so denke ich nicht. Wer so denkt, hat schlechten Sex.
An einem Klamottenstand gibt es T-Shirts von der RAF. Also nicht direkt von der RAF, sondern von dem Fahndungsplakat „Dringend gesuchte Terroristen. 800.000 DM Belohnung“. Weiß auf Pink, Grün auf Gelb, alle möglichen Farbkombinationen. Ich sage der Verkäuferin, dass ich das für ein bescheuertes T-Shirt-Motiv halte. Sie sagt, die Leute mögen das, es ist so ähnlich wie Che Guevara.
Am Stand daneben gibt es Elektrokrams. Kabel, Stecker, Zeug für Nerds. Ein Mann mit Lederjacke will ein Steckerteil kaufen. Zehn Euro, sagt der Verkäufer. Nee, zwei Euro, sagt der Mann. Acht, sagt der Verkäufer. Vier, sagt der Mann. Ganz bestimmt nicht, sagt der Verkäufer. Bevor ich es dir für vier Euro gebe, brech ich es lieber kaputt und schmeiß es weg. Wir gehen weiter.
Auf dem Rückweg sitzen zwei Jungs in der U-Bahn, vielleicht dreizehn Jahre alt. Sie schmeißen sich „dein Vadder“-Sprüche an den Kopf. „Der Dönerladen hat angerufen, dein Vadder dreht sich nicht mehr.“ Den kannte ich schon. „Ey und bei mir hat die Nasa angerufen, sie haben endlich das Gewicht von deinem Vadder errechnet.“ Den noch nicht. Die U-Bahn-Stimme sagt: „Nächste Station: Moritzplatz.“ Plötzlich sagt der eine: „Dein Vadder, weißt du was, dein Vadder fährt bis Endstation!“ Der andere schweigt.
MARGARETE STOKOWSKI