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Flieger, grüß mir die Sonne, ist nix verboten, drum gib Vollgas und flieg um die WeltMit dem Piloten in der Sauna

Foto: privat

Vogelfluglinie

von REbecca Clare Sanger

Dass der Wunsch besteht, unsere Frauen zu beschützen, habe ich zum ersten Mal in der Sauna gehört. Ein paar Tage nach Neujahr saß mir der Pilot in einem –wie mir jetzt im Nachhinein auffällt sehr kleinen, weißen, und wahrscheinlich aus einem Hotel geklauten –Handtuch gegenüber; mein Handtuch war größer, orange und spielte –wie mir jetzt im Nachhinein auffällt –vielleicht ein bisschen um meine sonst unbespielten Knöchel.

Wie er, als eloquenter Verfechter der dänischen Volkskirche, sich denn zur Flüchtlingsfrage verhalte, fragte ich ihn. Ihn, dessen glühende Rede für die Kirchensteuer am dritten Weihnachtsfeiertag unter den ansonsten eher kühlen Saunagängern für Wellen gesorgt hatte. Ich saß bei dieser Gelegenheit dicht neben ihm auf der Sitzbank. „Dem Ort wo wir uns konfirmieren lassen, uns trauen lassen“, sagte der Pilot, „und scheiden“, krakeelte sein Sitznachbar, der Sozialpädagoge, dazwischen. Obgleich dieser nach dem Einwurf sogleich das kalte Meerwasser aufsuchte, rückte der Pilot kein Stück von meiner verschwitzten Seite.

Dass mich nun eine glühende Verteidigungsrede erwartete, hätte ich mir also denken können. Bloß von was? Noch nie gehört hatte ich, was mir seitdem immerzu auf allen Medienkanälen mal auf Deutsch mal auf Dänisch ins Gesicht geschleudert wird. Sein Herz schlage für: „Freiheit auf Dänemarks Straßen. Für Dänemarks Frauen. Für seine Töchter. Für dich, Rebecca.“ Seine eigene Ehefrau fand in seiner Verteidigungsrede keine Erwähnung. Und so fiel mir –im Nachhinein selbstverständlich, und auch erst nachdem er die Vorteile des nackten Saunagangs aufgezählt hatte –auf, dass er „Dänemarks Straßen und Freiheit. Frauen und für dich Rebecca“ vor allem auch für sich zu verteidigen bereit war.

Saunieren findet der Pilot gut. Frauen und mich auch. Und Muslime können wir uns in unserem Winterbad tatsächlich –bei Gott –nicht vorstellen. Statt nach rechts in den Hafen von Stege einzubiegen, wo das kleine Holzhäuschen mit der Sauna im Hafenbecken schwimmt; wo –vor des Piloten Zeiten –das einzig Schlüpfrige die Holzleiter ins Meer gewesen war, fahre ich weiter, über die Brücke, biege auf dem Festland sogleich nach rechts ab, in ein anderes Holzhaus an einem Hafen, weitaus größer. Die Flüchtlingsfreunde Kalvehaves halten ihr 14-tägiges Café –und in diesem Raum dauert es länger, bis es warm ist und sich Dänen und Flüchtlinge von ihren jeweiligen Tischenden zu lösen wissen.

Ich glaube nicht, dass die Augen von W‘ael, dem 26-jährigen Physiklehrer, groß und schwarz, so ganz ohne Aufmerksamkeit, Freude, oder auch Bewunderung für mich sind, als ich ihn anspreche und um den Titel der Musik-CD bitte, die vor ihm auf dem Tisch liegt. Wann hat mich zuletzt ein 26-Jähriger wahrgenommen, frage ich mich. Der muss schon aus Syrien stammen, und so einiges durchgemacht haben, ist mir klar.

Dabei verdiene ich Bewunderung. Dabei verdient er Bewunderung: nicht nur weil er nach zwei Monaten Sprachschule schon eine Unterhaltung auf Dänisch mit mir führen kann. Dass erotische Aspekte zwischen Mann und Frau in der Öffentlichkeit angemessen Ausdruck finden, ist nirgendwo zufriedenstellend gelöst. Soll das Kölner Silvester tatsächlich die Art und Weise gewesen sein, wie das in der –in Talkshows gern mal rot markierten –fast gesamten restlichen Welt geschieht? Vorausgesetzt die Frauen tragen keine Burka? Araberhände auf Elfenbein und Leberwurstpfoten auf „du willst es doch auch“. Am Dienstag in der Sprachschule werde ich W‘ael fragen, was er denkt, was die Männer seines Alters und seiner Religion da zu Silvester zum Ausdruck gebracht haben: ihr Frauenverständnis? Ihre Sexualität? Ihre Verdorbenheit?

Junge, unbegleitete männliche Flüchtlinge habe ich zu diesem Thema eigentlich noch kaum gehört. Ich werde auch Walid fragen –25 mit Frau und vier Kindern in Syrien –Palästinenserin, staatenlos und familienunzusammenführbar. Und Mazen, der ungefähr zum Zeitpunkt der Übergriffe in Kalvehave ankam. Ich glaube, sie werden dasselbe sagen. Verbrechen, Verbrecher. Und verteidigen würden sie mich im Zweifelsfall auch. Und –das ist wohl auch das Problem –was reißen würde die in der Hinsicht schon eher als. Der. Pi. Lot.

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