■ Flaschenpost: Eingeborene Parlamentarier vor!
Papeete (taz) – Parlamentarier sind das Abstimmen und die Untiefen der abgestimmten Demokratie eigentlich gewohnt. Doch viele der rund 90 für eine Protestdemo gegen die französischen Atomtests nach Tahiti gereisten Abgeordneten aus (fast) aller Welt hatten bei der Gründung der „Vereinigten Parlamentarier gegen Atomwaffen“ ihre gesamte parlamentarische Praxis vergessen. Beim Konflikt, ob die Organisation lediglich gegen Atomtests und die Weiterverbreitung von Atomwaffen aktiv sein sollte oder zugleich für die Unabhängigkeit Französisch-Polynesiens, setzten sich die Unabhängigkeitsbefürworter gegen die jetlagmüden Europäer und ihre japanischen Koalitionspartner glatt durch.
Für die zahlenmäßig sehr starken Abgeordnetengruppen aus Australien, Neuseeland sowie den USA war es von vornherein klar gewesen, daß sie, einmal in Tahiti, auch die Unabhängigkeitsbewegung unterstützen wollten. Oscar Temaru, der Chef der polynesischen Unabhängigkeitspartei Tavini, wurde mit ihren Stimmen zum Präsidenten der neuen Organisation gewählt.
Die japanischen und europäischen Abgeordneten standen im Regen. Sie hatten sich auf die Anti-Atomwaffen-Arbeit beschränken wollen. Mit Oscar Temaru, der „für die Franzosen doch nichts anderes ist als ein unliebsamer Provinzpolitiker“, sei es vollkommen unvorstellbar, zusammen mit den französischen Abgeordneten in der Internationalen Parlamentarierunion (IPU) zusammenzuarbeiten, kritisiert die österreichische Grünen-Abgeordnete Doris Pollet-Kammerlander die eigenen Kollegen. Wie die beiden deutschen Vertreter, Vera Lengsfeld und Wolfgang Schmitt (Bündnis 90/Die Grünen), hätte sie am liebsten einen Japaner auf dem Posten des Präsidenten gesehen. Denn der wäre wahrscheinlich ein Garant dafür, daß die neue Organisation sich nicht nur mit französischen, sondern beispielsweise auch mit chinesischen Atomtests beschäftigt. Nicola Liebert
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