■ Finanzpoker: Krach um kein Geld
Im Bremer Ampel-Senat liegen die Nerven bloß. Er fühle sich „belogen und betrogen“, hat Finanzsenator Fluß (SPD) am vergangenen Dienstag in der Senatsberatung über die Koalitionspartner von der FDP erklärt. Nach §50 Haushaltsgrundsätzegesetz muß er nämlich eigentlich zwei Wochen vor der (am 13. Dezember stattfinden) Haushalts-Beratung der Bürgerschaft auch den Finanzplan 1996-98 zukommen lassen. „Für die fristgerechte Vorlage ist es erforderlich, daß der Senat den Finanzplan am 29. November beschließt.“ Seit dem 10.10. liegen die Entwürfe des Finanzsenators vor - in der Nacht zum 29.11. hatte dann aber die FDP-Fraktion beantragt, die Beratung zu vertagen.
Der Senat fing so gar nicht damit an, über die Details des heftig umstrittenen Papiers zu beraten, sondern erging sich im Grundsätzlichen: Soll das Wirtschaftsaktionsprogramm (WAP) wie alle anderen Ressorts von Etat-Kürzungen betroffen sein oder sollen, während Dächer von Schulen nicht mehr repariert werden können, Wirtschafts-Investitionen frei fließen? Und wie wahrscheinhlich ist es eigentlich, daß sich die WAP-Investitionen später in höheren Steuereinnahmen niederschlagen, also rentieren? Bürgermeister Wedemeier, bis an die Grenze des Erträglichen gereizt, drohte dem FDP-Partner nur, daß es in der kommenden Woche in dieser Frage „kein Veto mehr“ geben werde.
Der Grundsatzstreit verhinderte, daß es am Dienstag schon ans Eingemachte ging. Denn allein für Investitionen wollen die Senats-Ressorts in den Jahren 1996-98 insgesamt 3,1 Milliarden ausgeben, der Finanzsenator will die Programme um 30 Prozent auf gut 2 Milliarden zusammenstreichen.
Die Stellungnahmen der Ressorts fast einhellig: so nicht. Sogar die SKP, eine Behörde des Finanzsenators, stimmt da ein: Der Senator wolle die Investitionen in Computer-Technik zusammenstreichen. „Dies widerspricht den Ansätzen der beschlossenen Verwaltungsreform“, schreibt die SKP. Eigentlich sollten mit dem PC-Einsatz ja Personalkosten gespart werden...
Höflich „überrascht“ ist der Innensenator und führt eine Horror-Liste von Konsequenzen vor – bis zur infrage gestellten „Beschaffung von Fahrzeugen für Polizei und Feuerwehr“, der populärsten Drohgebärde aus seinem Hause.
Der Bildungssenator kann die Schulen nicht mehr sanieren, die Kultursenatorin kann die Kürzungen „nicht akzeptieren“, u.a. die Sanierung der Glocke und die des Focke-Museums wären in Gefahr.
Im Umweltressort will der Finanzsenator ausgerechnet die Sanierung der Behörden-Heizungsanlagen kürzen – das Programm zur CO2-Reduzierung. Und beim Hochwasserschutz.
Beim Wirtschaftsressort soll mit einem Doppel-Trick gearbeitet werden: Die Investitionen zum Flughafenausbau stehen bisher nicht im Haushalt, weil die Flughafen-AG sie vorfinanziert. „Schattenhaushalt“ nennt man das. Ab 1997 sollte das längst ausgegebene Geld Schritt für Schritt nachträglich in den Haushalt eingestellt werden – „ein vom Senat gebilligtes Verfahren“, schreibt der Staatsrat des Wirtschaftsressorts, Haller. Nicht mehr tragbar scheint ihm das, was der Finanzsenator nun - um den mittelfristigen Finanzplan wenigstens optisch zu retten - vorschlägt: Erst nach dem Ende der Sanierungs-Phase, nach 1998, soll das längst ausgegebene Geld offiziell auf dem Bremer Schulden-Konto verbucht werden. Haller meint, das sei „mit der notwendigen Haushaltsolidität nicht vereinbar“. Ansonsten betrachtet er die Kürzungen seines WAP-Etats als „weiteren Schritt bei der Aushöhlung des WAP, der den Vereinbarungen zum Sanierungsprogramm eindeutig widerspricht und deshalb in keiner Weise akzeptiert werden kann.“
Die Lösung im Sinne der FDP kann also nur sein: Bei Bildung, Soziales, Umwelt und Inneres mehr sparen, beim WAP weniger. Das kann die SPD aber im Wahlkampf-Jahr nicht mitmachen. Am Dienstag will der Senat entscheiden. K.W.
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