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■ Filmstarts à la carteHat stets was Nächtliches

Hanna Schygulla könnte wohl auch über die grüne Alm gehen, und es hätte was Nächtliches. Komisch, man nimmt ihr im Gegensatz zu anderen nie übel, daß sie nie auch einmal jemandes gute Freundin ist oder mal eine Ärztin oder so was; sie bleibt die Femme Blasée, sogar wenn sie, wie unglückseligerweise vor einiger Zeit geschehen, einen lehmstrotzenden Golem gibt. Für mich bleibt sie irgendwie immer dreißiger, vierziger Jahre, immer in diesen glitzernden Schuppenkleidern, eine Frau, von der die Leute quälend-gleißende Halluzinationen haben. Was red' ich: das Arsenal zeigt, aus Anlaß von Schygullas Auftritt im Hebbel-Theater, noch mal die wichtigsten Fassbinder- Filme, mit denen sie alles und ohne die sie recht ratlos zu sein scheint. Ganz früh, ganz jung auch ein Film aus Fassbinders Anfängen im Action Theater, Der Bräutigam, die Komödiantin und der Zuschauer von Jean-Marie Straub. Diese Konstellation hat was von einem Schygullaschen Archetypus, wie ihn Jung sich nicht akkurater hätte ausdenken können. Ihr Zuhälter, die ferne romantische Verheißung in Gestalt des Bräutigams und sie selbst als Hure/Muse, ganz typisch.

Dann natürlich Liebe ist kälter als der Tod, wo man noch Jahre danach Fassbinder an ihrer weißen Schulter liegen sieht, und diese Kleidchen der sechziger Jahre und alles. Logischerweise geht es nicht ohne Lili Marleen, Der Händler der vier Jahreszeiten, Effi Briest, aber auch Schygullas Auftritt bei Godard ist dabei. Matthias Schreiber hat es damals schön formuliert: „Ein kaum entwirrbares Geflecht von beziehungslosen Beziehungen, das erfolgreich den Eindruck vermittelt, es geht um mehr als um einen Film, der an Geld- und Beleuchtungsproblemen scheitert.“

Parallel zur Ausstellung „Die letzten Tage der Menschheit“ zeigt das Zeughaus Kino eine Reihe von Filmen, die damals entstanden waren, und die zunächst, als klar wurde, mit welchen Schrecken man es zu tun hatte, niemand mehr sehen wollte. Es waren nämlich recht naive, propagandistische Machwerke. Sie wurden im Laufe der vier Jahre mehr und mehr durch nachrichtlichere Filme, durch „Aktualitäten“ ersetzt. Langsam, aber sicher zogen dann, nach Kriegsende, auch bedenklichere Töne ein. Der Gipfel ist natürlich Jean Renoirs La Grande Illusion, aber man sollte ruhig und unbedenklich auch einmal in Paul Lenis Das Tagebuch des Dr. Hart gehen oder sogar, morgen abend in Rex Ingrams The Four Horseman of the Apocalypse. Ansonsten nämlich gibt das Kino unter dem Motto „Ganz Oben“ eine Reihe mit Bergfilmen von Luis Trenker, Luis Trenker und Luis Trenker.

Noch immer gibt es die Werkschau mit Filmen von Jan S., also eines Prager Zeichners, Poeten, berufsmäßigen Surrealisten, dessen nicht ungewaltige Filme zum Beispiel The Last Trick of Mr. Schwarzwald and Mr. Edgar heißen. Wer Carson McCullers mag, ist hier genau richtig.

Aber was sollen wir lange drumherum reden, heute abend ist ja wahrscheinlich eh alles im Babylon, dem Berliner Filmkunsthaus, und sieht Before Stonewall, bekanntermaßen eine Art „Wie alles anfing“ der Schwulen- und Lesbenbewegung. Es sind zu sehen Allen Ginsberg, Rita Mae Brown, Audre Lourde und so weiter und viele andere mehr, und es ist ein Jubeln im Hals und ein bißchen Angst noch und ein bißchen forsches Ins-Freie-Treten.mn

Überregional anlaufende Filme werden auch auf den Kulturseiten der Donnerstagsausgabe besprochen.

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