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■ Filmstarts à la carteLothar Lambert ist ein Guter

Eingangs sei darauf hingewiesen, daß es in den Berliner Kinos kühl und sehr angenehm ist. So schön ist es allerdings auch nicht, daß die Zweite Heimat von Edgar Reitz, die derweil u.a. im Olympia gezeigt wird, zu ertragen ist. Also: die Zweite Heimat ist unglaublicher Mist, Kunstgewerbe, Spießermüll. Aufgeblasen und verlogen bis zum Gehtnichtmehr; Klischees bis zum Erbrechen. Ein kleines Arschloch, überzeugt von seiner tonsetzerischen Sendung, zieht hinaus in die Welt. Ihm zur Seite stehen andere Abziehbildermenschen, deren Blödigkeit irgendwie anwidert. Gesellschaftliche Konflikte sind bloße Staffage. Ein Film, der wütend macht; das ästhetische Pendant zu hundert Jahren CDU. Vorm Gucken sei ganz ausdrücklich gewarnt.

Das Arsenal zeigt Wichtigeres: Jean Rouchs lustig-souveränen Altersfilm Madame l'eau, in dem es um drei Männer aus Niger geht, die in den Niederlanden Windmühlen studieren, um der verheerenden Dürre in ihrer Heimat Herr zu werden (22.7: 20 Uhr, 24.7.: 22.15 Uhr) oder Chris Markers Das Grab Alexanders; ein großartiges Video-Porträt des „letzten bolschewistischen“ Filmemachers Alexander Medwedkin (1900-1989), das mit historischen Schätzen sowjetischen Filmschaffens nicht geizt und ohne modische Ressentiments etwas von dem komplizierten Verhältnis zwischen Leben, Film und Politik in der Ex-SU vermitteln kann. (26.7.: 20 Uhr). Sozusagen zur Ergänzung des Marker-Porträts zeigt das Arsenal am 27.7. Medwedkins seltsam komisches Meisterwerk Das Glück (1935), das „dem letzten Taugenichts der Kolchose“ gewidmet ist. Wer nicht hingeht, ist selber schuld.

Wer's draußen mag, geht morgen abend (21.30 Uhr) ins Freilichtkino Hasenheide, und schaut sich dort Jochens Lieblingsfilme vom diesjährigen Hamburger No-budget-Festival an. Unter anderem ist auch Torsten Alischs x-te „Angelika“-Fortsetzung dabei. Ganz so No-budget ist man in Hamburg zwar nicht mehr, allen Freunden charmanter, kleiner, enthusiastischer Filme sei das Programm aber trotzdem sehr ans Herz gelegt. Im Beiprogramm liest Mark Degen aus dem Comic- Fanzine „Sex & Kotze“ vor.

Übermorgen wird Lothar Lambert 50 Jahre alt. Das beste, was man über einen Filmemacher sagen kann, ist vielleicht, daß seine Filme einen für kurze Zeit glücklich gemacht haben. Das klingt pathetisch; aber wie sonst nur Rosa von Praunheim oder – auf einer anderen Ebene – Herbert Achternbusch, gelingt es dem Geburtstagling, das Persönlichste politisch zu machen, im Kitsch auf echte Sehnsüche hinzuweisen, die traurig darüber sind, keinen anderen Ausdruck finden zu können als eben den Kitsch. Außerdem hat er in unzähligen Filmen gezeigt, daß Sex lustig sein kann, ohne blöd zu werden, und vor allem spürt man in all seinen Filmen, daß ihm die Arbeit sehr viel Spaß macht. Mag er manchmal inzwischen, den TV-Guckern zuliebe, auch etwas demonstrativ aufklärerisch geworden sein, mag sich dies und das mittlerweile auch wiederholen – Lothar Lambert ist ein Guter. Wo ihr ihn trefft, sollt ihr ihn küssen!

Lambert zu Ehren zeigt das Checkpointkino in der Leipziger Straße sieben Filme mit und von ihm: Dagmar Beierdorfs Wolfsbraut und die Fortsetzung Eine Tunte zum Dessert (21.7.-3.8.); seinen neuesten Film mit dem etwas simplen Titel Gut drauf, schlecht dran (28.7.-3.8.), die lustige Sex-Kino-Hommage Verbieten verboten (28.7.-31.7.), Ex und Hopp (1972) weht aus alten Zeiten vorbei (29.7.-31.7.) und in Carl Andersens neuem Film Killing Mom (23.+24.7.) spielt Lambert einen Familienvater. Killing Mom ist seltsam, äußerst musikalisch und nebenbei gesagt der beste junge Berliner Film der letzten Jahre! Detlef Kuhlbrodt

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