piwik no script img

■ Filmstarts à la carteÄsthetische Lebenskrisen

„Die eine spricht, die andere nicht.“ So ähnlich hat Ingmar Bergman damals den Inhalt von „Persona“ für seinen Produzenten zusammengefaßt; verständnisvoll hat dieser das Projekt abgesegnet.

Zwei Personen treffen in einem Psychodrama aufeinander: Einmal mehr geht es um nicht weniger als den Sinn des Lebens. Der Schauspielerin Elisabeth Vogler (Liv Ullmann in ihrer ersten Bergman-Rolle) entlocken die Masken und Verstellungen ihres Berufes nur noch hysterisches Lachen, die Realität hingegen entsetzt sie: Sie zieht sich in selbstgewähltes Schweigen zurück. Ihre Betreuerin, die Krankenschwester Alma, plappert dagegen unentwegt: eine schauspielerische Tour de force von Bibi Andersson. Alma identifiziert sich zunehmend mit der Künstlerin Elisabeth; die in Aussicht gestellte Kleinbürgerexistenz mit Ehemann und Kindersegen scheint ihr nicht mehr zu genügen.

In einem irritierenden Bild wird Bergman schließlich die Gesichtshälften (und Identitäten) der beiden Frauen verschmelzen lassen.

„Persona“ sperrt sich gegen tradierte Erzählkonventionen: Eine „normale“ Auflösung der Szenen findet nicht statt, wahlweise zeigt Bergman das Geschehen in distanzierenden Totalen oder intimen Großaufnahmen. Die Realitätsebenen wechseln ständig: So kann man sich dessen, was man zu sehen oder zu hören glaubt, nie ganz sicher sein.

Mit Neuerungen der Filmsprache befaßte sich auch Michelangelo Antonioni; der internationale Durchbruch gelang ihm 1960 mit „L'Avventura“.

Daß eine der Hauptpersonen nach einer halben Stunde auf mysteriöse Weise aus der Handlung verschwindet und ihr Verbleib nie aufgeklärt wird, war für das Publikum jedoch der Anlaß zur Irritation: Nicht wenige Zuschauer fanden den Film, der zumal ohne viel äußere Aktion auskommt, damals verwirrend und langweilig. Zu Beginn zeigt uns die Kamera ein Abbruchviertel, auf der Tonspur hören wir Baulärm: Altes wird von Neuem abgelöst – für Antonioni weniger eine politische Aussage als vielmehr eine Bestandsaufnahme.

Die Veränderungen setzen sich in den Beziehungen der Personen fort: Sandros Verlobte wird ohne Erklärung verschwinden, die Suche wird ihn mit ihrer Freundin Claudia zusammenbringen. Antonioni zeigt Figuren in Lebenskrisen: Irgendwie befinden sie sich alle ständig auf der Suche – wonach, das vermag allerdings niemand auszusprechen.

Unübertroffen bleiben Antonionis ästhetische Bildarrangements mit den verloren im Raum stehenden Protagonisten; sie vermitteln uns das existentialistische Lebensgefühl der Intellektuellen in den frühen sechziger Jahren.

Erinnerungen an seine Kindheit veranlaßten Louis Malle 1987, den Film „Auf Wiedersehen Kinder“ zu drehen: Im von Deutschen besetzten Frankreich freunden sich zwei Schüler an; einer stellt sich als Jude heraus.

Zugespitzt ist die Geschichte auf den Moment des ungewollten Verrats: Ein unschuldiger Blick wird in die Katastrophe führen.

Lars Penning

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen