Film "Tiger Factory": Spermafabrik und Schweinezucht
In der Fortpflanzungsbranche unterscheidet den Menschen vom Tier nicht viel. Woo Ming Jins Film "Tiger Factory" erzählt von der Arbeit in der Babyproduktion.
Ein Menschenleben ist nicht viel wert in Woo Ming Jins "Tiger Factory". "Du kriegst 4.000 Ringgit für einen Jungen", erklärt die Tante, "für ein Mädchen gibt es 2.500." Ping kennt die Preise. Es ist nicht ihr erstes Mal in Tantchens "Babyfabrik", wo junge Mädchen ihren Uterus für einen einträglichen Babyhandel zur Verfügung stellen.
Ping braucht das Geld, sie will weg aus Malaysia. In Tokio könnte sie in einer Fabrik Autos auseinanderschrauben, die dann als Ersatzteile nach Malaysia verschifft werden. Es ist ein weiterer mieser Job, aber das schweigsame Mädchen erträumt sich in Japan ein besseres Leben. Als das Baby, das ihr die Reise finanzieren soll, bei der Geburt stirbt, ist Ping wieder am Anfang: zurück zur Tante, zu den Drecksjobs im Schnellrestaurant und auf der Schweinefarm und in das schmierige Hotel, in dem vor allem junge Migranten hausen, die vom Leben nichts mehr zu erwarten haben.
Vier Wochen haben die Dreharbeiten an "Tiger Factory" gedauert, als Drehbuchentwürfe dienten lediglich ein paar Zeitungsartikel, auf die der Regisseur zufällig gestoßen war. Arbeit ist in "Tiger Factory", wie so oft im Dritten Kino, der Umschlagplatz sozialer Dynamiken, oftmals auch die letzte Triebfeder physischer Bewegungen.
Die Arbeit wird von Tauschverhältnissen bestimmt, und man könnte es zunächst für einen geschmacklosen Witz halten, dass sich im Film alles um den Warenwert von Sperma dreht. Tagsüber hilft Ping bei der Schweinezucht. Sie füllt das Ejakulat der Eber in Fläschchen ab, und manchmal verdient sie sich unter der Hand etwas dazu, wenn sie ein paar dieser Ampullen an einen Hehler weiterverkauft. Nach der Arbeit geht sie ins Hotel ihrer Tante und lässt sich selbst von jungen Männern befruchten. "Sie ist hübsch und kräftig", preist Tantchen ihre Ware einem potenziellen Kunden an. "Das Baby wird genauso."
Das Bild der "Spermafabrik" erweist sich jedoch zunehmend als pointierte Verdichtung, weil Woo einen klugen Blick für Räume und soziale Milieus hat. Die engen Hotelgänge, durch die Ping in die schmucklosen Beischlafkammern geführt wird, sind ähnlich bedrückend gefilmt wie die Schweineställe. Manchmal erhascht man durch den Türspalt einen Blick in die Räume, in denen die Mädchen nach dem Geschlechtsverkehr in Ruhestellung verharren. In der Fortpflanzungsbranche unterscheidet den Menschen vom Tier nicht viel.
Woos Sachlichkeit und seine unaufdringliche Mobilität schaffen Nähe zum Milieu seiner Figuren: den Chinesen und Burmesen, die im boomenden Malaysia den Dienstleistungssektor inzwischen fast im Alleingang bestreiten. Politisch und gesellschaftlich sind sie Menschen zweiter Klasse. Einmal nimmt der junge Burmese Kang, der für die Tante arbeitet, Ping mit zu seiner Familie. Es ist einer der wenigen Momente, in denen Ping-Darstellerin Lai Fooi Mun innerlich zur Ruhe zu kommen scheint. Lai ist in fast jeder Einstellung zu sehen; sie wird zur treibenden Kraft des Films, je mehr ihre Figur die Gewalt über ihr Leben zurückerlangt.
Doch Woo findet kein versöhnliches Ende. Auch Ping realisiert, dass sie ihr eigenes Glück über das der Menschen stellen muss, die ihr etwas bedeuten. Die malaysische Gesellschaft bringe Raubtiere hervor, erzählt Woo im Presseheft: stolz und gnadenlos. Am Ende sieht man Ping im Bus sitzen, auf dem Weg in ein besseres Leben, das neue Opfer fordern wird.
"The Tiger Factory". Regie: Ming Jin Woo. Mit Foo Mun Lai, Susan Lee u. a. Malaysia/Japan 2010, 85 Min.
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