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■ Fieser Vermieter sieht sich als WohltäterEin Opfer der Behörden?

Hamburg (taz) – Fritz Püttmann in Hamburg fühlt sich als Opfer staatlicher Nötigung. Immer wieder sieht sich der sozial engagierte, karitative Wohltäter des Stadtteils Harburg, so seine Selbstwahrnehmung, von den Behörden gegängelt und ausgenutzt. Da zwang ihn erst das Bezirksamt, den hinter seinem Haus aufgetürmten Schutt zu beseitigen; dann kam auch noch die Auflage, das Gerümpel ordnungsgemäß zu entsorgen. „Nötigung“, so bezeichnete es Püttmann und trat aus Protest gegen staatliche Willkür der Statt Partei bei.

Seine Mieter, die genaue Zahl weiß er selbst nicht, hat sich Püttmann aus den Reihen der Sozialhilfeempfänger zusammengesucht, weil die Behörde gegenüber Vermietern ein sicherer und großzügiger Zahlmeister ist. Ein 14 Quadratmeter großes Zimmer mit verschimmeltem Fensterrahmen und bewässerter Außenwand kostet im Hause Püttmann zwischen 380 und 450 Mark – ohne Küchenbenutzung. Denn diese sind mit Sperrmüll bis unter die Decke vollgestellt. „Das Gerümpel darf nicht raus. Das hat Püttmann verboten“, begründet der Mieter Dieter Ziebart den unappetitlichen Zustand. Irgendwann nisteten sich Kakerlaken ein, woraufhin Püttmann einer erneuten staatlichen Nötigung ausgesetzt wurde, nämlich die unbeliebten Tierchen zu vernichten.

Den zweiten Winter nun schon mußten die rund 20 Mieter ohne Heizung und Strom auskommen, weil Püttmann die Rechnungen nicht mehr bezahlt hat. Für die Mieter ist das alles kein Scherz. Radio, Staubsauger und Kaffeemaschinen müssen sie mit Autobatterien betreiben. Vor dem Erfrieren retteten sie sich mit kleinen Gasbrennern, die sie an Propangasflaschen angeschlossen haben. Wenn es dunkel wird, helfen nur noch Petroleumlampen und Kerzen.

Ihre Mietzahlungen haben die Bewohner nun eingestellt und das Bezirksamt Harburg eingeschaltet. Jetzt wird Püttmann abermals genötigt. Unter Androhung von Zwangsmaßnahmen muß er bis Ende Februar die Energieversorgung im Hause wiederhergestellt haben. Bislang aber ist nichts in dieser Hinsicht geschehen. Ohnehin würde es Monate dauern, die völlig zerstörten Installationen wieder halbwegs funktionsfähig zu machen. Vielleicht wären Herrn Püttmanns Wohltaten der Öffentlichkeit bis heute verborgen geblieben, hätte er nicht auch noch der Obdachlosen-Selbsthilfegruppe „Oase“ eine Gefälligkeit angeboten. Ihr hatte er nämlich im Dezember sein Haus zur Vermietung angeboten. Als die Wohnungslosen das Objekt in Augenschein nahmen, fiel ihnen dann leider auf, daß dort bereits andere Menschen wohnten und diese überhaupt nicht daran dachten, auszuziehen. Die „Oase“ brachte dann die sozialen Verdienste des ehrenwerten Herrn Püttmann zur öffentlichen Geltung. Jetzt hat sich Püttmann vorgenommen, sein Haus an die selbsternannte U-Bahn-Schutztruppe Guardian Angels aus Berlin zu vermieten in der Hoffnung, daß diese die aufmüpfigen Mieter aus dem Hause treiben. Rainer Kreuzer

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