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Festnahme in MexikoPolizei schnappt Drogenboss

Der Mexikaner Carlos Beltran Leyva galt im Familienclan als natürlicher Nachfolger seines getöteten Bruders, dem "Boss der Drogenbosse". Nun wurde er eher zufällig verhaftet.

Im Kampf gegen Drogenkriminalität setzt die mexikanische Polizei verstärkt auch Hubschrauber ein. Bild: dpa

SAN SALVADOR taz | Es scheint so, als gehe es Schlag auf Schlag: Erst am 16. Dezember hatte eine Spezialeinheit der mexikanischen Polizei gemeinsam mit US-amerikanischen Agenten in einer stundenlangen Schießerei in Cuernavaca im Norden des Landes den Drogenboss Arturo Beltrán Leyva getötet. Der Mann war bekannt als "der Chef aller Chefs". Am Samstag gab die Polizei nun die Verhaftung seines jüngeren Bruders Carlos bekannt. Carlos galt als natürlicher Nachfolger seines erschossenen Bruders. Die Fahnder überraschten ihn in Culiacán, der Hauptstadt des am Pazifik gelegenen Staates Sinaloa. Ein dritter Bruder des Familienkartells Beltrán Leyva, Héctor Alfredo, der älteste der Beltrán-Brüder, sitzt schon seit Januar 2008 in Haft. Ein vierter, Mario, ist noch auf freiem Fuß. Auf Hinweise zu seiner Festnahme ist eine Belohnung von 2 Millionen Dollar ausgeschrieben. Der Schlag gegen das Kartell dürfte den Drogenkrieg in Mexiko kaum beruhigen. Andere Kartelle dürften nun versuchen, sich Teile des Beltrán-Geschäfts mit Waffengewalt einzuverleiben.

Carlos Beltrán Leyva war nach Auskunft der Polizei bereits am 30. Dezember wohl eher zufällig verhaftet worden. Er fuhr in eine Polizeisperre und wies sich dort mit einem gefälschten Führerschein aus. Er seit festgenommen worden, weil man in seinem Wagen drei Feuerwaffen samt Munition gefunden habe. Erst später habe er dann zugegeben, wer er wirklich ist.

Nach Schätzung der US-Drogenbehörde DEA hat die Organisation der Beltrán Leyva in den vergangenen zehn Jahren Kokain und Marihuana im Wert von mehreren Milliarden Dollar in die USA geschmuggelt. Unter anderem verfügte die Familie über eine Flotte von Kleinflugzeugen, die Radare der US-Grenzwache unterfliegen konnte. Die Organisation war zunächst mit dem operativen Geschäft des Juárez-Kartells betraut, machte sich dann aber selbständig und arbeitete mit dem Sinaloa-Kartell von Joaquín "El Chapo" Guzmán zusammen, mit dem die Beltrán-Brüder weitläufig verwandt sind. In den vergangenen Jahren aber bekämpften sich die beiden Kartelle in einem blutigen Bandenkrieg. Kenner der Drogenszene rechnen nun damit, dass der als "El Barbie" bekannte Chef des Killertrupps der Beltrán-Brüder versuchen wird, das Kartell zu übernehmen.

Im Kampf gegen den Drogenhandel sind in den drei Jahren seit Amtsantritt des Präsidenten Felipe Calderón mehr als 15.000 Menschen getötet worden.

CECIBEL ROMERO

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9 Kommentare

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  • CM
    Campesino Mexicano

    Der vergessene Krieg (In den Medien)

     

    Hut ab, Ernst, sehr gut kommentiert meine Kritik, ich stimme dir vollkommen ueberein, ich will nur an die sonstigen interessierten

    Leserbriefschreiberlinge ein paar Daten hinzufuegen, die man nicht in

    deutschen Zeitungen liesst:

     

    ... "Oder die Mitglieder der Paramilitaerischen Gruppe die im Dorf Acteal 45 Menschen, die meisten Frauen und Kinder (darunter vier

    Schwangere), im Jahr 1997 Ermordet haben und jetzt vom Obersten Gericht in Mexiko freigsprochen wurden"...,

     

    das war schon ein Wunder, das "Oberste Gericht" in Mexiko ist ein besseres Kasperletheater und hat nichts mit Gewaltenteilung zu tun.

    Da wollte wieder Politiker "A" dem Politiker "B" eins auswischen...

     

    Es gab seit August 2006 bis Dezember 2009 mehr als 15000 Tote im Drogenkrieg zwischen den Drogenkartellen, JA, 15 000 (Zwischen 2000

    und 2006 waren es auch schon 10 000). Das spielt sich aber weniger in den Gebieten Chiapas ab als in der Grenzregion USA und Mexiko, da ist es natuerlich traurig, wenn 1992 600 unschuldige Frauen, Kinder und Alte erschossen werden, hat aber bei einer Zahl von "FUENFZEHNTAUSEND" eine verschwindend geringe Anzahl im Vergleich. Die 15 000 Tote waren aber keine Indianer, sie waren ja nur Mexikaner, also nicht so Medienwirksam.

     

    Es sind 2878 km von Ciudad Juarez (Grenze USA) bis Tuxtla Gutierrez (Hauptstadt Chiapas), und 3868 km von Tijuana (Grenze USA) bis Tuxtla Gutierrez (Hauptstadt Chiapas).

     

    Abgesehen von den fast 300 jungen Frauen, die in den vergangenen Jahren auf offener Strasse und teilweise neben ihrem Freund entfuehrt wurden in Ciudad Juarez, spaeter umgebracht aus Zeitvertreib.

    Eine Reporterin aus New - York wurde bei ihren Recherchen IN NEW YORK mit dem Tot bedroht, falls sie weiterwuehlt (Drogenbosse zahlen Politiker und ebenjene schuetzen Obengenannte...),

     

    will ich nur ein paar Daten durchsickern lassen:

     

    Wenn mir die Nase meines Nachbarn nicht gefaellt, ein Killer kostet zwischen 50 und 200 EURO im Grenzgebiet Mexiko - USA.

     

    Aber das ist eben jenes Grenzgebiet zu den USA und hat nichts mit Chiapas zu tun. Natuerlich werden auf Seiten der Regierung Repressalien

    auf die Indígenas ausgeuebt, aber das ist alles ein kleiner Tropfen auf den heissen Stein, was sich sonst noch in Mexiko abspielt.

     

    Und da bin ich wieder mit dem Uebervoelkerungsproblem mit

    100 tausender junger Maenner, die keine Perspektive haben.

  • S
    Stefan

    eine kleine Korrektur: die Stadt Cuernavaca liegt keinesfalls "im Norden des Landes", wie fälschlicherweise im taz-Artikel behauptet, sondern ca. 65 km suedlich von Mexiko-Stadt im Bundesstaat Morelos.

  • E
    Ernst

    Ich finde Grundsaetzlich das Kopieren von DPA-Meldungen sehr fragwuerdig, gerade im Bezug auf Mexiko wo eben dieser "Kampf gegen die Drogen" oft ein Vorwand ist und viele Erfolgsmeldungen mit vorsicht zu geniessen sind...

     

    z.B. damals bei dem Tod von Pinochet brachte die DPA einen Artikel heraus unter dem Titel "zwischen Massenmoerder und Retter der Nation!" Die Rethorik erinnerte stark an die 70er Jahre und war mehr eine Wuerdigung Pinochets und eine diskreditierung Allendes. Soviel also zu DPA Meldungen. Sie bewegen sich oft auf diesem Niveau wenn es um politische Themen aus dem Ausland geht und ich finde es Schade wenn eine Zeitung wie Taz (die ich schaetze) so etwas unkommentiert uebernimmt...

     

    Es gibt immer wieder Razzien der mexikanischen Armee in Gemeindnen der Zapatisten die unter der Begruendung passieren man muesse nach Waffen, Drogen oder gestohlenen Autos suchen. Besonders zum Ende des letzten Jahres hatte die Repression krass zugenommen. Mitglieder der OCEZ (Organización Campesina Emiliano Zapata) sassen ca. einen Monat mit ihrem Camp auf dem Zocalo (zentraler Platz, gibt es in jeder mexikanischen Stadt) in San Cristobal weil das Militaer 2 ihrer Mitglieder getoetet und drei weiter in Gefaengnisse verschleppt hatte.

     

    Oder die Mitglieder der Paramilitaerischen Gruppe die im Dorf Acteal 45 Menschen, die meisten Frauen und Kinder (darunter vier Schwangere), im Jahr 1997 Ermordet haben und jetzt vom Obersten Gericht in Mexiko freigsprochen wurden...

    Ein weiteres Beispiel: http://linksunten.indymedia.org/de/node/15134

     

    Ich finde gerade die andere Seite zu beleuchten waere der TAZ mehr als angemessen, sie hebt sich gerade bei sozialen Themen immer wieder von der Masse der Zeitungen ab (der Artikel ueber El Salvador heute ist ein positives Beispiel). Aber in den Propaganda-Tenor der Volksfeindlichen Calderon-Regierung einzufallen halte ich mehr als Fragwuerdig. Die DPA Uebernimmt unkommentier was sie von den Sprechern der Mexikanische Regierung bekommt und TAZ uebernimmt es auch unkommentiert (so wirkt es zumindest). Waere die Info von einem Ministerium aus Havanna haette die DPA und danach die TAZ zweifel daran.

     

    Ich hoffe ich bin zu des Pudels Kern gekommen und habe meine Meinung zu dem DPA-Thema kundgetan ohne unfair zu sein oder ausfuehrungs-ueberlaenge... ;-)

  • L
    lasladronas

    Danke Ernst. Und die Taz macht wie immer aufdieser Ebene mit. Was sollen wir davon halten? Schreibt mal was!

  • P
    pekerst

    "Der Mexikaner Carlos Beltran Leyva galt im Familienclan als natürlicher Nachfolger seines getöteten Bruders, dem 'Boss der Drogenbosse'."

     

    "seines Bruders, dem 'Boss'"? Wikipedia: "Die Apposition ist mit dem Beziehungswort austauschbar und steht meist im gleichen Kasus wie das Beziehungswort."

     

    Will sagen: des Bruders, des Bosses der Drogenbosse.

  • FB
    Flug Bangkok

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Drogenhandel in Mexiko jemals beendet wird.

    Es steckt so viel Geld in diesem Geschäft und die Behörden sind ebenfalls involviert.

    Alle paar Jahre muss ein Dealer dran glauben und wird verhaftet, damit der Schein gewahrt wird, dass alles gut läuft, im Kampf gegen den Terror- ich meine "Drogenhandel".

  • CM
    Campesino Mexicano

    An Ernst:

    mich aegern schon seit jahren die halblauen DPA - Meldungen, die dann von FAZ-TAZ-Rundschau-Fokus-Zeit etc. interpretiert werden.

    ich lebe seit 10 Jahren in Mexiko, die Hintergruende sind derart kompliziert, aber zu sagen, "es waren ueberwiegend Gewerkschafter und Campesinos" ist so was von Unrat, es ist viel mehr die Bevoelkerungsexplosion und die Schar junger Maenner ohne Zukunft, dass hat absolut NICHTS mit EZLN - Chiapas '94 zu tun.

    P.S.

    Beltran Leyva wuede von der Marine gefangen und wahrscheinlich hingerichtet, die vielen Dependancen der Polizei und selbst die Armee ist zu Korrupt.

    Aber selbst die Marine ist wahrscheinlich noch von Konkurrierenden Drogenkartellen bezahlt worden: Hoert mir mit der schwarz - weiss Malerei Gewerkschafter - Arbeitgeber auf, auch die meisten Gewerkschafter sind Oportunisten !!

     

    Nach den "liberalen" Einwanderungsgesetzen muss ich Ananym bleiben

  • S
    Sub

    Ernst hat recht.

    Und die Mexikanische Regierung sollte lieber mehr Arbeit in den Kampf gegen die Korruption in der Lokalpolitik investieren, denn damit könnten Sie den Drogenkartells viel mehr schaden.

    Stattdessen duldet mal das Geschäft auf der einen Seite und zeigt sich unerbittlich auf der anderen Seite.

  • E
    Ernst

    Viele der 15.000 Menschen die da getoetet wurden waren Campesinos, Gewerkschafter und andere Mitglieder der sozialen Opposition. Mexiko benutzt das Logo "Kampf gegen die Drogen" wie die USA das Logo "Kampf gegen den Terror" benutzen. Mit oft Toetlichen Folgen fuer die soziale Opposition.

     

    Ausserdem Benutzt der mexikanische Staat die Kampfhubschrauber auch gerne gegen die Zapatisten in Suedmexiko, hat er 94 mit ziemlicher heftigkeit bewiesen