Festakt 20 Jahre Berliner Parlament: Schröder gedenkt seiner selbst
Vor 20 Jahren ist das erste Gesamtberliner Parlament zusammengetreten. Doch bei der Feier in der Nikolaikirche spricht Altkanzler Schröder lieber über sich und den Euro.
Das Rahmenprogramm passte. Zu Beginn sang Barbara Kellerbauer Brechts Kinderhymne "Anmut sparet nicht noch Mühe", es folgten die Begrüßungsworte von Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) sowie die Rezitationen der Reden von Christa Wolf und Stefan Heym auf der Demo am Alexanderplatz, fünf Tage vor dem Fall der Mauer. Nur einer passte nicht zur Feier des 20. Jahrestags des ersten freigewählten Gesamtberliner Parlaments: Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). "Berlin und die Zukunft Europas", lautete das Thema seiner Festrede am Dienstag in der Nikolaikirche in Mitte. Doch lieber sprach Schröder von sich, der EU-Erweiterung, der Freundschaft zu Russland und den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.
Manch einer im Berliner Abgeordnetenhaus mag das unrühmliche, weil unpassende Schauspiel vorher geahnt haben. "Was hat Gerhard Schröder mit der deutschen Einheit und dem Gesamtberliner Abgeordnetenhaus zu tun?", fragte im Vorfeld des Festaktes der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, Uwe Lehmann-Brauns (CDU). Auch die Grünen äußerten Kritik. "Warum hat man sich nicht auf Weizsäcker einigen können", meinte der Europaabgeordnete Michael Cramer, der selbst zu den 241 Abgeordneten zählte, die am 11. Januar 1991 zur konstituierenden Sitzung des Parlaments in der Nikolaikirche zusammengekommen waren.
Die rot-rote Regierungskoalition dagegen verteidigte ihre Wahl. Als "absurd" bezeichnete Walter Momper die Kritik. Schließlich habe sich Schröder für den Regierungsumzug nach Berlin eingesetzt. Die Linke merkte an, dass der Vorschlag Mompers den Fraktionsvorsitzenden vorgelegen habe - ohne dass es Kritik gegeben habe.
Das wiederum wollten die Grünen nicht auf sich sitzen lassen. "Kurz vor Weihnachten wurde uns das Programm vorgelegt. Fertig", schimpfte die grüne Fraktionsvorsitzende Ramona Pop. Und offenbar gab es Schlimmeres abzuwenden als Gerhard Schröder als Festredner. Die CDU nämlich verlangte, zum Abschluss der Feierlichkeiten die Nationalhymne zu singen. Immerhin, hier gab es einen Kompromiss. Gespielt wurde Haydns Kaiserquartett - sozusagen die Nationalhymne ohne Liedtext.
Der Exkanzler schien von den Querelen unbeeindruckt. Landespolitische Streitereien werde er nicht kommentieren, ließ er vor der Feier mitteilen. Unbeeindruckt - vom Anlass des Festakts - war Schröder auch als Redner. Er lobte das deutsch-polnische Verhältnis, die Osterweiterung der EU als "Überwindung der historischen Teilung Europas", forderte ein Assoziierungsabkommen der EU mit Russland und ein gemeinsames Vorgehen der Union in der Euro-Krise.
So viel Thema verfehlt war dann selbst der Linken zu viel. "Da war keine Rückbindung zum Anlass der Feier, das ist schade", kritisierte Fraktionschef Udo Wolf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt