: Feierlich beschworen und ignoriert
betr.: „UN gedenkt Befreiung von Auschwitz“, taz vom 25. 1. 05
Für die Menschen in Darfur müssen die hehren Reden der UN-Vollversammlung zum Gedenken an Auschwitz wie ein Hohn geklungen haben. Die gleichen Politiker, die die Tatenlosigkeit der Welt beim Holocaust so tief bedauern, haben allen folgenden Völkermorden bis zum heutigen in Darfur tatenlos zugeschaut. Solange Völkermorde eingeteilt werden in solche, die einmalig sind, andere die bedauerlich und die, die unter den Teppich der Geschichte gekehrt werden dürfen, weil sie nicht ins politische Kalkül passen, werden sie wiederkehren. Oder wie erklärt es sich, dass der Völkermord des EU-Anwärters Türkei an den Armeniern immer ausgespart wird, und der Genozid in Ruanda nie auf der Liste fehlt, aber der Völkermord an 300.000 Hutu in Burundi im Jahr 1972 völlig vergessen ist. Völkermorde teilen das Schicksal der Menschenrechte. Sie werden feierlich beschworen, wenn sie politisch nützlich sind, und ignoriert, wenn sie den Eigeninteressen im Wege stehen.
WOLFGANG SCHONECKE, Köln