Fechterin Britta Heidemann: Chinesisch für Fortgeschrittene
Britta Heidemann ist eine gute Degenfechterin, und sie hat ein Faible für China. Unser Autor war mit ihr ein Jahr vor den Spielen in Peking unterwegs
PEKING taz In ihrer Heimatstadt Köln ist Britta Heidemann nicht unauffällig, in Peking aber ist sie eine Sensation: eins achtzig groß, blonde Haare, offenes Wesen, lachende Augen. Dazu spricht sie leidlich gut chinesisch, was sie bei jeder Gelegenheit anwendet.
Uneitel stapft sie mit Bauhelm und Badeschlappen in die olympischen Fechthalle hinein. Oder besser in den Rohbau, in dem 2008 die Fechtwettbewerbe stattfinden sollen. Der Fahrstuhl funktioniert, sonst nichts. Man hätte vermutet, die Chinesen wären schon weiter, ein Jahr vor den Olympischen Spielen. In ihrem Rollkoffer zieht die Athletin ihre komplette Ausrüstung inklusive Degen hinter sich her. Sie ist gekommen, um die noch nicht vorhandene Planche auszuprobieren: Testwettkampf vor Wanderarbeitern.
Alle Maschinen stehen still, als das ehemalige Playboy-Modell sich ihre Weste überstreift, die Maske aufsetzt und zwischen Betonwannen und Stahlträgern ein paar Degenlektionen erteilt. Spiegelfechten ohne Spiegel, und gleich danach zwei Interviews mit dem chinesischen Staatssender CC-TV. "Ich habe gewonnen", sagt sie und lacht schallend. Sogar die Aufseher freuen sich.
Das ist nicht selbstverständlich: Als Britta einige Rikscha-Fahrer in den Hutongs, den traditionellen Siedlungen des alten Pekings, nach ihrer Meinung zu den Spielen fragt, taucht plötzlich Polizei auf und unterbindet die Unterhaltung. Meinungsumfragen mit Fernsehkameras sind nicht gerne gesehen. Auch das ist China, genau wie die Propagandaplakate an den Olympia-Baustellen, die Heidemann dechiffriert: "Lasst uns einen Wettbewerb aus dem Sportstättenbau machen und die Halle der Partei zum Geschenk machen".
Trotz dieser Widersprüche ist die 24-jährige Studentin China-Fan: "Es wäre mein größter Traum, in Peking teilzunehmen und möglichst eine Medaille zu gewinnen", sagt die für Bayer Leverkusen fechtende Kölnerin. Sie war schon zehn-, zwölfmal in Peking, zum ersten Mal vor zehn Jahren mit der ganzen Familie.
Als 15-jährige Schülerin verbrachte sie danach ihr Auslands-Halbjahr in Peking. Und zwar ganz allein, zu einer Zeit, als man noch Briefe schrieb, die eine Ewigkeit unterwegs waren. Seit 2001 studiert die 1,4er-Abiturientin chinesische Regionalwissenschaften - genau wie ihr Bruder Gerrit, der zurzeit in Schanghai lebt. Und klar, eine berufliche Zukunft in der chinesischen Hauptstadt kann die Multibegabte sich nach ihrem Abschluss vorstellen.
Dabei sieht sie das turbokapitalistische neue Peking durchaus skeptisch: Ganze Straßenzüge werden plattgemacht - aus engen Gassen entstehen sechsspurige Autobahnen. Millionen Menschen müssen umsiedeln, ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen. Luftverschmutzung und Wasserknappheit sind Riesenprobleme. "Ich erkenne die Straßen nicht mehr wieder, in denen ich mit dem Rad zur Schule gefahren bin", bedauert sie.
Trotzdem kann sie dem hilflosen Taxifahrer, der in dem Straßengewirr der 13-Millionen-Metropole das Ziel nicht findet, problemlos den Weg weisen. Und das in einem Land, in dem jeder andere Europäer sich an einem Zettelchen festhält, in dem auf Englisch und Chinesisch seine Hoteladresse steht.
"Mein China ist das traditionelle China: Liebe nette Leute, gemütliches Leben und leckeres Essen." Im einfachen Restaurant ohne Bildchen in den Speisekarten bestellt sie zielsicher für den ganzen Tisch mit. "Das macht man so: Einer ordert für alle." Und zwar immer ein Gericht mehr, als Leute am Tisch sitzen. Alle Speisen kommen in die Mitte und "jeder isst alles". Für empfindliche Menschen sei das nichts, gesteht sie ein, beruhigt aber: "Hunde und Katzen werden eher im Süden gegessen." Peking liegt im Norden, wie der chinesische Name verrät: Beijing heißt "nördliche Stadt."
Für die Chinesen ist Heidemann eine feste Größe, nicht nur im Hinblick auf Olympia: Im Oktober wird sie Gast bei "Wetten dass" sein, der chinesischen Variante. Doch bei der Olympia-Nominierung gibt es keinen Bonus: Nur zwei Plätze stehen für deutsche Degenfechterinnen zur Verfügung, mindestens drei zählen zur Weltspitze. Und ausgerechnet für Peking ist die Frauendegenstaffel von der olympischen Agenda gestrichen worden. Noch in Athen 2004 hatte Heidemann gemeinsam mit Imke Duplitzer und Claudia Bokel Mannschafts-Silber gewonnen. Diesmal zählt nur das Einzel.
Der Qualifikationsmarathon mit Weltcup-Turnieren in der ganzen Welt geht noch bis Ende März. Im Oktober steht die WM in St. Petersburg an. Da muss die EM-Dritte weiter Punkte gutmachen. Denn noch liegt sie hinter Duplitzer und Bokel. Sollte es für sie tatsächlich nicht reichen, tritt Plan B in Kraft: "Dann fahre ich trotzdem nach Peking." Zur Not als Volonteer.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!