: Fader Beigeschmack
betr.: „Brüder feiern Freispruch“ (Berliner Ehrenmordprozess) u. a., taz vom 15. 4. 06
Das Berliner Urteil im so genannten Ehrenmord-Prozess hinterlässt einen faden Beigeschmack. Es ist kaum vorstellbar, dass die Familie von der Tat ihres jüngsten Sohnes überrascht worden ist. Für derartige Mordurteile werden die jüngsten Söhne vom Familienrat ausgesucht, weil sie unter das Jugendstrafrecht fallen. Wir müssen sehr darauf achten, dass hier keine falsche Botschaft ausgesendet wird. Die Revisionsinstanz wird hier das letzte Wort haben. Dennoch gilt bei allem Zweifel auch hier der alte Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. Dieser rechtsstaatliche Grundsatz darf nicht dem Kalkül einer politischen Zweckmäßigkeit unterworfen werden.
JÜRGEN ROTH, Berlin