Facebook, Twitter & Co: Warten auf den Geldsegen
Sie sind beliebt, doch ihre wirtschaftliche Bilanz fällt eher mau aus: Diverse Web 2.0-Riesen suchen weiter nach Einnahmequellen. Viele Nutzer bedeuten nicht immer viel Geld.
Der Pressewirbel war groß, als der Kurznachrichtendienst Twitter Mitte April seine Werbeplattform vorstellte: Erstaunliche vier Jahre nach der Gründung soll mittels "Promoted Tweets" - sprich: Botschaften, die den Nutzern gegen Gebühr deutlicher vor die Nase gesetzt werden als andere - endlich signifikant Geld verdient werden.
Da kann man sich schon fragen, wie Twitter es geschafft hat, so lange ohne große Einnahmen zu überleben. Einziges Element auf der Haben-Seite war bislang eine Gebühr, die die Internet-Firmen Microsoft und Google für das Durchsuchen der Twitter-Botschaften zahlten - nicht genug, um eine Mannschaft von mittlerweile rund 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem hippen Büro im teuren San Francisco durchzufüttern.
Des Rätsels Lösung lautet Risikokapital: Gut 135 Millionen Dollar hat die prominente Web-2.0-Firma mittlerweile von renommierten Investoren eingesammelt. Die hoffen, dass Twitter entweder aufgrund der hohen Nutzerzahl (über 100 Millionen sollen es sein) als Werbefläche attraktiv wird, andere Einnahmeströme generiert (z.B. spezielle Angebote für Firmen), irgendwann einen hoch bewerteten Börsengang hinlegt oder schlicht eines Tages für viel Geld aufgekauft wird. Bis dahin herrscht das Prinzip Hoffnung: Die Investoren glauben, dass die Twitter-Gründer es schon schaukeln werden.
Das Modell, das Twitter da fährt, ist keineswegs neu: In deutlich extremerer Form war es die Basis des "Dotcom" oder "New Economy"-Hypes vor mittlerweile zehn Jahren. Damals gingen unprofitable Firmen sogar direkt an die Börse - Resultat waren im großen Stil ihres Geldes entledigte Anleger, zahllose Firmenpleiten und die erste Wirtschaftskrise des neuen Jahrtausends.
Auch andere Web-2.0-Größen wie etwa Facebook operieren finanztechnisch in einer Grauzone. Da die Unternehmen nicht an der Börse sind, müssen sie auch nicht ihre Einnahmen offenlegen. Bei Facebook heißt es zwar, man mache inzwischen dreistellige Millionenumsätze mit Werbung und sei "regelmäßig operativ profitabel" - was das praktisch jedoch auf Heller und Pfennig heißt, verrät das größte soziale Netzwerk der Welt nicht.
Bei Facebook mag das Einnahmemodell stabiler sein als bei Twitter, doch auch hier weiß trotz des Hypes noch niemand, ob es auf lange Sicht trägt. Während Googles Werbemodell funktioniert, weil es den Nutzern hilft - sie suchen häufig das, was Reklame ihnen schließlich liefert -, ist Werbung im auf Kommunikation konzentrierten getrimmten Facebook eher etwas, was die Nutzer stört. Der Technikblogger und Unternehmer Joseph Perla schrieb deshalb neulich in einem viel beachteten Beitrag, das soziale Netzwerk operiere eine Art Pyramidenspiel - viele Kunden probierten Facebook-Werbung schlicht derzeit aus, nur um dann zu merken, dass sie nicht funktioniere, wenig geklickt werde. "Irgendwann werden alle Leute sie ausprobiert haben und wissen, dass sie nutzlos ist." Das könne zwar etwas dauern, "doch es ist ein begrenzter Zeitraum".
Das Modell, dass Internet-Firmen zunächst versuchen, möglichst viele Nutzer zu generieren, nur um sie dann später zu "monetarisieren" kann natürlich auch funktionieren: Google gilt als berühmtestes Beispiel. Als die Firmengründer Sergey Brin und Larry Page mit der Arbeit an der Suchmaschine begonnen, wussten sie noch nicht, wie sie damit später Geld verdienen würden - die hochprofitable Einnahmengenerierung per Suchmaschinenwerbung fiel ihnen (und ihren Mitarbeitern) erst später ein, so lange lebten sie von Investorengeldern.
Es kann aber auch umgekehrt laufen. Ning, ein Anbieter von Social-Networking-Plattformen, bei dem man sich bis vor kurzem kostenlos ein eigenes soziales Netzwerk zusammenklicken konnte, hatte rund 120 Millionen Dollar Risikokapital eingeworben - auch, weil Internet-Promis mit an Bord waren. Mittlerweile zeigte sich jedoch, dass das Modell nicht trägt: Ning entließ 40 Prozent seiner Mitarbeiter und stellte die kostenlosen Dienste auf Monatsgebühren um. David Heinemeier Hansson, Gründer des Internet-Unternehmens 37signals, predigt im Web seit Jahren, dass Firmen von Anfang an vernünftige Geschäftsmodelle benötigen. "Wachstum bei den Nutzerzahlen ist nie genug", schrieb er in seinem Blog. Nur viele User einzusammeln, sei eben kein Geschäftserfolg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!