FUSSBALLNATION : Der Einspringer
Ich bin auf eine Podiumsdiskussion über „Fußball und Nationalismus“ oder umgekehrt eingeladen. Ich springe für einen Promi ein, der abgesagt hat. Für Diedrich Diederichsen. Ich nehme mir vor, etwas über Pop zu sagen. Diederichsen hat keine Zeit. Ich hoffe deshalb, weil er gerade ein Buch aus meinem Verlag rezensiert. Er hat das mal in Erwägung gezogen. Seither hat er sich allerdings nicht mehr bei mir gemeldet. Später entdecke ich auf einem Programmzettel, dass ich auch noch für Klaus Theweleit eingesprungen bin. Gut, dass ich das nicht vorher wusste, sonst hätte ich mich verpflichtet gefühlt, auch noch über Sexualität und Fußball zu reden.
Offiziell bin ich eingeladen, weil ich mit Wiglaf Droste den „Kevin-Prince-Boateng-Preis“ ausgelobt habe, weil „Prince“ den „aufdringlichsten und penetrantesten Werbeständer des Landes außer Gefecht setzte“. Der Veranstalter will wissen, ob wir tatsächlich in Besitz des Trikots von Del Piero seien, das wir als Preis ausgelobt haben. (Del Piero deshalb, weil der bei der letzten WM mit einem eleganten Treffer im Halbfinale die Deutschen aus dem Turnier gekickt hat). Haben wir. Allerdings muss ich zugeben, dass nicht Del Piero das Trikot durchgeschwitzt hat, sondern ich dafür eingesprungen bin.
Die Podiumsdiskussionsleiterin hat einen schwarz-rot-goldenen Kuchen mitgebracht und fragt die Podiumsdiskussionsteilnehmer, ob sie davon essen würden. Keiner will. Nach der Podiumsdiskussion schneidet sie den Kuchen in Scheiben. Ich sage, an der lieblosen Machart des Kuchens könne man das Verhältnis der Deutschen zum Nationalismus ablesen. Dann essen wir den Kuchen unter dem Vorwand, Deutschland symbolisch aufzuessen. Es wäre weg und könnte auch nicht mehr gewinnen. Aber unser Einsatz wird nicht belohnt. Deutschland gewinnt und steht inzwischen sogar im Halbfinale.
KLAUS BITTERMANN