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■ FDP läßt ihre Mitglieder über Lauschangriff entscheidenFinaler Angriff auf die Justizministerin

Noch beim Wahlparteitag in Mainz schien alles klar. Mit Standing ovations feierte die große Mehrzahl der Delegierten ihre Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als personifizierten Ausweis liberaler Gesinnung – gegen die „Von-Stahl- Helmtruppe“, die die Partei auf einen Rechtskurs trimmen wollte, aber auch gegen die schwammige Präsentation des neuen Parteivorsitzenden, der es sich mit keiner Seite verderben wollte. Die FDP, so machten die Delegierten klar, soll als Bürgerrechtspartei in den Kampf um Wählerstimmen einsteigen.

Doch schon in Mainz wurde von einer nicht hinnehmbaren Stimmungsentscheidung gesprochen. Wichtige Bezirksfürsten machten deutlich, daß die Delegierten im Bemühen, einen Rechtsrutsch zu dementieren, doch etwas übers Ziel hinaus geschossen waren. Die Funktionärselite der Partei, einschließlich des Vorsitzenden Gerhardt, setzt zur Rettung der FDP andere Akzente. Jetzt sollen die Mitglieder ran. Die Einführung des Großen Lauschangriffs, das Symbol für Bürgerrechte versus Polizeistaat, soll den Mitgliedern zur Entscheidung vorgelegt werden. Dabei geht es schon längst nicht mehr um Sinn oder Unsinn des Lauschangriffs bei der Kriminalitätsbekämpfung – in der FDP geht es um pro und contra Leutheusser- Schnarrenberger und den Einfluß der linksliberalen Restbestände der Partei, die sie repräsentiert.

Genau aus diesem Grund haben sich die Jungliberalen gegen eine Mitgliederbefragung zum Thema Lauschangriff gewandt, obwohl sie sonst natürlich für eine Demokratisierung der Entscheidungsstrukturen und möglichst viele Mitgliederbefragungen sind. Dabei ist die Frage nach dem Lauschangriff jenseits aller parteiinternen Intrigen genau der richtige Einstieg für den Mitgliederentscheid. So wie das Thema innerhalb der Partei, aber auch in der öffentlichen Debatte besetzt ist, ist keine andere Frage geeigneter, um über den tatsächlichen Zustand der FDP Auskunft zu geben. Egal was schließlich bei dem Mitgliederentscheid herauskommt, für die Wähler und Wählerinnen der Republik ist es allemal aufschlußreicher, als parteiliche Selbstauskünfte gemeinhin sind.

Danach kann jeder seine Konsequenzen ziehen: Frau Leutheusser, die Jungliberalen und diejenigen, die ihr Kreuzchen machen sollen. Irgendwie muß es doch zu schaffen sein, daß die Todesanzeigen für die FDP endlich gedruckt werden können. Jürgen Gottschlich

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