: FBI zieht Stecker
Die unabhängige Nachrichtenplattform Indymedia ist wegen angeblich „terroristischer Aktivitäten“ ins Fadenkreuz der US-Bundespolizei geraten
VON PETER NOWAK
In mehr als 20 Ländern, darunter auch in Deutschland, war in den vergangenen Tagen die Qualität der Internetseite stark beeinträchtigt. Und in Italien und Großbritannien war http://germany.indymedia.org überhaupt nicht aufrufbar. Nicht wegen technischer Schwierigkeiten, sondern wegen der bislang größten Polizeiaktion gegen die unabhängige Nachrichtenplattform, die 1999 von Globalisierungskritikern aus aller Welt gegründet worden ist.
Am Donnerstag hatte die US-Bundespolizei FBI in San Antonio im Bundesstaat Texas einen Indymedia-Server beschlagnahmt. Zeitgleich nahm die britische Polizei in London einen Großrechner des Internetanbieters Rackspace unter Verschluss.
Mittlerweile hat FBI-Sprecher Joe Parris erklärt, dass die Maßnahme im Zuge eines Rechtshilfeabkommens auf Verlangen der Schweizer und der italienischen Justiz erfolgt sei.
Bei dem Schweizer Verfahren soll es um die Indymedia-Berichterstattung zu den Protesten gegen den G-8-Gipfel im Sommer 2003 in Evian gehen. Damals wurde von der Polizei auch der Schweizer Indymedia-Ableger gestürmt, was wiederum im Internetportal ausführlich dokumentiert worden war – das FBI hatte zuvor ganz konkret und mehrfach gefordert, Fotos zweier Zivilfahnder von der Seite zu nehmen.
Die italienische Justiz erklärte, dass gegen Indymedia wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten ermittelt werde. Dabei soll es auch um Beiträge gehen, die sich mit Anschlägen gegen italienische Soldaten im Irak befassen. Die italienische Rechtsregierung hat sich immer wieder besonders energisch für eine Kriminalisierung von Indymedia eingesetzt. Schon während der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Genua 2001 waren die Büros von Indymedia während einer Polizeiaktion verwüstet und Computer zerschlagen, Mitarbeiter sind festgenommen, teilweise von der Polizei misshandelt worden (die taz berichtete).
Indymedia hatte selbst dafür gesorgt, dass die Übergriffe rasch weltweit bekannt geworden sind – was auch das besondere Verfolgungsinteresse der italienischen Behörden gegen das unabhängige Medium erklärt. „Wir wurden Zeugen einer aggressiven internationalen Polizeioperation gegen ein Netzwerk des unabhängigen Journalismus“, erklärte der Generalsekretär der Internationalen Journalistenvereinigung, Aidan White. Auch die Pressegruppe des Berliner Aktionsbündnisses „Weg mit Hartz IV“ wertet die Polizeiaktion in einer Erklärung als Anschlag auf die Pressefreiheit: Viele Bild- und Tondokumente von den Montagsdemonstrationen sind zurzeit nicht abrufbar.
Eine pikante „Nebenwirkung“ dieser Razzia ist, dass auch und ausgerechnet der britische Indymedia-Zweig zurzeit ganz vom Netz genommen ist. Viele Bobachter werten diese Maßnahme als gezielte und massive Einschränkung des Europäische Sozialforums. Die globalisierungskritische Veranstaltung soll Mitte dieser Woche über die Bühne gehen – in London.