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Archiv-Artikel

„FAS“, ANTI-AKW-DEMOS, STEFAN AUST, GANZ VIEL „WOCHE“ Qualitätsjournalismus? Ganz große Kacke!

Hallo, taz-Medienredaktion!

Heute vergesse ich mal meine Zurückhaltung, Objektivität und Diplomatie, für die mich das Publikum so schätzt und werde … nun ja … emotional. Nein, keine Angst, meine Periode steht nicht vor der Tür, es wird nur normal emotional. Das aber mit Nachdruck. Ich kann nämlich kaum sagen, wie sehr es mir eine Befriedigung ist, meinen Sonntags-Kollegen endlich aufs Haupt kacken zu können. All jenen, die für die Frankfurter Sonntagszeitung (FAS) oder die Welt am Sonntag schreiben, weil diese Blätter „gar nicht so schlimm“ seien. Mit den reaktionären Wochentiteln „gar nichts“ gemein hätten, weil sie von „ganz anderen Leuten“ gemacht würden, „Leuten wie uns“.

„Schlimm genug!“ darf da die einzige Antwort sein. Und wenn man dabei bleibt, für diese Titel nicht schreiben zu wollen, badet man in Blicken des Mitleids, weil man so eine verschrobene Prinzipien-Tante ist. Nun aber!

Diesen Sonntag hat die süße, kleine FAS ihre Maske gelüftet. Während Nachrichtenorgane in ganz Deutschland über die Anti-Atom-Kette stolpern, ihre Funktion als Berichterstatter wahrnehmen und über eine der größten Demonstrationen der letzten zehn Jahre berichten, lässt die FAS das Thema einfach weg. Flups. Nichts vorn, nichts hinten, einfach gar nichts, bis auf eine 700-Zeichen-dpa-Meldung auf Seite sieben. In dieser wird die Zahl von 120.000 Demonstranten nicht erwähnt. Stattdessen benutzt man lieber die Wörter „Hundert“ und „Tausend“ und spricht von einer Absichtserklärung, demonstrieren zu wollen. So, meine lieben Ist-ja-gar-nicht-so-schlimm-Kollegen, wird also Qualitätsjournalismus gemacht. Da lässt man einfach weg, was nicht in den Kram passt. Objektive Berichterstattung? Wozu denn?! Politik sind wir.

Selbstverständlich möchte ich wissen, was der Verantwortliche Redakteur dazu zu sagen hat. Leider besteht Volker Zastrow darauf, auch indirekte Zitate vor Abdruck vorgelegt zu bekommen. Hallo?!? Ich mach mich doch nicht zum Handlanger von Bange-Büchs-PR! So gibt es leider keine Infos, dafür stellt sich eine Frage ganz unabhängig davon, ob man für oder gegen Atomkraft ist: Will man für ein Blatt arbeiten, das nicht verstanden hat, was seine Aufgabe ist?!

Was Nessie, das Ungeheuer von Loch Ness, in den 70ern war, ist Stefan Aust für die Printbranche heute. Ständig taucht er auf und jedes Mal gibt’s ne Meldung. Und immer sind alle verwirrt. Aust entwickelt ein Magazin. Steigt Springer ein? Wird er Chefredakteur? Jetzt wurde bekannt, dass das Ding was mit „Woche“ heißen soll, fast wie Bissingers altes Blatt. Und jetzt kommt auch noch der Bauer Verlag und macht Volker Kithil, bislang Chefredakteur der Frauenzeitschrift Schöne Woche, zum Chef von Woche heute. „Vorgängerin Cornelia Mangelsdorf scheidet aus, bei Schöne Woche übernimmt Kithils Vize Gitta Kabelitz den Chefposten“, meldet meedia. Kithil, Kabelitz, Mangelsdorf, schöne Woche, heute Woche, nur die Woche. Und das alles in einer Woche! Wohl dem, der da durchblickt.

Apropos Durchblick. Der Jahreszeiten Verlag, der irgendwann mal Die Woche herausgab – die von Bissinger, die von Aust kommt ja noch, und ob es den Jahreszeiten Verlag dann noch gibt, ist fraglich –, hat in seinem Teherani-Neubau Kapazitäten frei. Räume, die keiner mehr braucht, weil alle Redakteure ohne Leitungsfunktion rausgeschmissen wurden, damit man die Hefte mit billigen, freien Journalisten produzieren kann. Es hält sich das Gerücht, man wolle jetzt Büros an freie Journalisten vermieten. Helm ab vor dem, der den Mut zu so viel Zynismus hat! Und damit zurück nach Berlin!