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Archiv-Artikel

FABIAN FRÜHSTÜCKT Facebook und Luder

Brille, Wecker, fremde Haut, heiße Tasse

Morgens. Verklebte Augen, matte Konstellationen. Die Welt schien hell ins Schlafzimmer, Jalousien gab es keine. Fabian fingerte sich in den Raum hinein. Brille, Wasser, Wecker, fremde Haut, heiße Tasse. In der Küche fiel nur ein Wort: „Milchkaffee.“ Reserviert serviert.

Eine Stubenfliege hatte sich auf den weißen Tassenrand gesetzt und rieb sich die Vorderbeine. Fabian überlegte eine wegwischende Bewegung, führte sie aber nicht aus, während Nadja sich zwischen Küchentisch und Anrichte positionierte.

Im Hintergrund tickte eine Uhr. Draußen zirpte ein Auto. Es roch nach Eiern. Die geografische Angabe zur Szenerie: irgendwo in Berlin, nördliches Spreeufer, ein Kiez mit Szene.

Sie hat etwas Verschlafenes, dachte er, als er den Blick in ihre Richtung schob. Und: Das Diktat der Attraktivität hat mir ein Geschenk gemacht. Sein Mitbewohner hatte ihn darauf geeicht, in Zukunft die Verkopften sein zu lassen und sogenannte Luder zu bevorzugen. Er schien Recht gehabt zu haben.

Nadja hatte einen weichen Gang und machte kleine Bewegungen, die manchmal überkandidelt wirkten. Wie sie zum Beispiel immer „Ja“ sagte, wenn er etwas sagte. Wie sie ihm dabei auf den Mund schaute. Er redete über Facebook, eine Art virtuelle Schulklasse im Internet. Er nannte Nadja einen Namen, den er dort gesucht und auch gefunden hatte. „Sie war die erste Frau, die mir das Herz gebrochen hat. Seit damals habe ich sie nicht mehr gesehen, und heute habe ich sie auf Facebook entdeckt. Jetzt sieht sie aus wie meine Mutter.“

Nadja bewaffnete sich mit einer Zigarette. Sie hatte ihre eigenen Erfahrungen gemacht. Sie spielten sich in derselben Stadt ab. Angenehm waren sie nicht gewesen. „Gut, dass wir noch nicht miteinander befreundet sind“, sagte sie schließlich. „Das lassen wir auch besser“, stimmte Fabian ihr zu. RENÉ HAMANN