Ex-ZDF-Moderator Palme: "Der Rest ist Show"
Der frühere ZDF-Moderator Michael Palme über den Fan im Fußballkommentator, das Bewältigen schwieriger Livesituationen und die Inszenierung des Expertentums
taz: Herr Palme, was zeichnet einen guten Sportreporter aus?
Michael Palme: Es ist schwierig, das zu beurteilen, weil es geschmäcklerisch ist. Aus meiner Sicht sind Béla Réthy und Tom Bartels in Ordnung. Aber alle machen denselben Fehler: Sie reden zu viel. Es gibt kaum eine Pause, in der man sich mal zurücklehnen und das Fußballspiel angucken kann, nein, sie reden von der ersten bis zur letzten Minute durch.
Woran liegt das?
Diese Reporter werden mittlerweile von der Boulevardpresse genauso mit Noten versehen wie die Spieler. Und da es jetzt modern ist, Emotionen zu verbreiten - jedenfalls verlangt das die eine oder andere Presse -, müssen sie ein bisschen mehr Gas geben. Ich habe den Eindruck, dass man ihnen gesagt hat, Leute, ihr müsst mal ein bisschen aus euch rausgehen, da muss Stimmung rüberkommen, sodass sie sich aufgefordert fühlen, selbst bei läppischen Szenen ihre Stimme zu heben und den Namen eines Spielers laut rauszuschreien. Ich halte das für störend, aber es ist offensichtlich so angesagt.
Ein Beispiel?
Wenn ein Reporter die ganze Zeit auf mich einredet, mir aber nichts erzählt von taktischen Varianten, weil er das nicht sieht oder weil es ihm egal ist, ist das für mich zu Hause nervig. Wenn der gleiche Mann aber bei einer Situation, in der ein Spieler aus 22 Metern aufs Tor schießt, sagt: "Da sieht man, wie hilflos diese Mannschaft ist, jetzt schießt er schon von 22 Metern Entfernung aufs Tor", wird es ärgerlich, dann redet er Blödsinn. Dann soll er besser den Mund halten.
Gibt es einen Zwiespalt zwischen Reporter und Fan?
Ja. Aber ich bleibe dabei: Der Reporter, auch wenn er die deutsche Nationalmannschaft beobachtet, darf kein Fan sein, er ist nach wie vor Reporter und Journalist. Ich will da keinen Fan hören. Die Zuschauer finden das vielleicht schön - ich nicht.
War es früher anders?
Ich kann mich noch gut an die 70er- und 80er-Jahre erinnern - die Einstellungen ändern sich ja auch im Laufe der Zeit -, da war es verpönt, als Reporter chauvinistisch für die deutsche Mannschaft zu schreien, das hat es nicht gegeben. Das hat sich aber geändert, es ist jetzt modern, sich reinzuhängen und zu sagen, auf welcher Seite man steht.
Wie schwer ist es, live wirkliche Qualität zu liefern?
Das ist schon sehr schwierig, weil man ja immer auf einem schmalen Grat geht. Man muss alles wissen, man muss schnell reagieren, man muss die deutsche Sprache beherrschen. Ein gutes Beispiel ist Marcel Reif, der das alles kann.
Wie bereitet man sich vor? Muss man Kicker lesen, Statistiken kennen?
Man muss sehr gut vorbereitet sein. Aber das sind die meisten Kollegen, die machen ihre Schularbeiten, die schreiben sich ganze Blöcke voll und denken dann, dass sie das auch alles vorlesen müssen. Da fängt der Fehler an.
Was halten Sie vom Expertentum? Dient das der Versachlichung oder der Show?
Die Versachlichung macht 25 Prozent aus, der Rest ist Show. Mehmet Scholl hat neulich kurz und knapp seine Meinung gesagt, und das war völlig in Ordnung. Aber wenn ich mir stundenlange Analysen anhören muss, die mich nicht weiterbringen, dann habe ich ein Problem. Ich brauche die Experten nicht, die sagen mir nichts, was ich nicht gesehen habe. Warum der auf der rechten Außenbahn versagt hat, das habe ich selbst gesehen. Aber diese Show kommt offenbar auch gut an, da die Quoten gut genug sind.
Haben Sie einen Verbesserungsvorschlag?
Man müsste gar nicht so viel anders machen, nur weniger.
INTERVIEW: JUTTA HEESS
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