Ex-Vizekanzler als Abgeordneter: Müntefering macht auf Familie
Der frühere Vizekanzler ist zurück in Berlin: als Abgeordneter und Neu-Familienpolitiker.
BERLIN taz Münte ist nicht mehr da. Die Nachricht vom Rücktritt des SPD-Vizekanzlers ließ im November vorigen Jahres den Berliner Politikbetrieb für einen kurzen Moment stillstehen. Franz Müntefering hatte angekündigt, zu Hause seine krebskranke Frau zu pflegen. Jetzt ist Münte wieder da. Seine Rückkehr erschüttert den Berliner Betrieb jedoch nicht eine Sekunde lang. Müntefering reiht sich geräuschlos ein. Seine neue Rolle: Abgeordneter aus dem Sauerland, Mitglied im Familienausschuss.
Die Pflege seiner kranken Frau in Bonn bleibt seine Hauptaufgabe. Aber sooft es geht, ist Müntefering in Berlin. Er geht in die Fraktion, nimmt an Sitzungen des Bundestages teil. Bei der Debatte über das Stammzellengesetz am Donnerstag saß er in den hinteren Reihen des Plenums, als Erkennungszeichen hatte der berühmte Hinterbänkler seinen roten Schal über eine Stuhllehne geworfen.
Müntefering nimmt seine neue, kleine Rolle ernst. Nichts anderes hätte man von dem Pflichtmenschen erwartet. Der Familienpolitiker Franz Müntefering hat gerade seinen ersten Grundsatzartikel veröffentlicht. In der Januar/Februar-Ausgabe der Berliner Republik, einer Theoriezeitschrift der SPD-"Netzwerker", denkt er über moderne Familienpolitik nach. "Kinder in der alternden Gesellschaft" ist der Text überschrieben.
Was sofort auffällt: Müntefering schreibt genauso, wie er spricht. In kurzen, knappen, prägnanten Sätzen. Das ist nicht pulitzerpreisverdächtig, aber es klingt sehr authentisch, geradezu münteferingisch. "Klartext: Es wäre aus mehreren Gründen gut, es würden mehr Kinder geboren in Deutschland. Kinder - nicht Humankapital", schreibt Müntefering. "Den Weg dahin finden wir aber wohl nur, wenn wir nicht über die Kinder jammern, die es zurzeit nicht gibt, sondern diejenigen nehmen, die da sind." Er fordert eine moderne Erziehungsdebatte. ("Sie täte auch uns Älteren gut. Eltern und Kindern sowieso.") Und plädiert für konkrete Hilfen für benachteiligte Kinder: Elternsprechstunden, Familienhelfer, Paten. "Deutschland muss da systematischer ran. Die Politik, aber nicht nur die Politik."
Sein Rücktritt sei kein Abschied, hatte Müntefering auf seiner letzten Pressekonferenz gesagt. Viele glaubten ihm damals nicht. Sie können sich jetzt vom Gegenteil überzeugen. "Die Welt gehört den Begeisterten, die kühles Blut bewahren." Auch so ein Müntefering-Satz, von ihm geschrieben im Januar 2008 in der Zeit. "Aufhören tun die nie", fügte er hinzu.
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